Full text: [Enthaltend Denkwürdigkeiten und Lebensbeschreibungen aus der neuern und neuesten Geschichte] (Theil 4)

44 
ter, daß er von dem Schürpfen, Philipps und Erasmo, desglei¬ 
chen von der Notdurfft beider, griechischer und hebräischer Zunge 
Müßt zu reden Zudem redt er entzwüschendt etliche lateinische 
Wort, daß uns wollt bedunken, er wäre eine ander Person, denn 
ein gemeiner Reuter. ,,Lieber," fragt er uns, „was halt man 
von dem Luthero im Schweitzerland?'' -— „Mein Herr," antwurt 
ich, „es sind (wie allenthalben) mancherley Mepnungen. Etliche 
können ihn nit genugsam erheben und Gott danken, daß er die 
Wahrheit durch ihn geofsenbaret und die Irthümbde zu erkennen 
geben hat, etliche aber verdammen ihn als einen unleidenlichen 
Ketzer und bevor die Geistlichen." 
Sprach er: „ich versieh mich wol, es sepen die Pfaffen." 
Unter solchem Gespräch ward es uns gar heimlich, je daß mein 
Gesell das Büchlein, so vor ihm lag, anfhub und aufsperrt. Das 
war ein hebräischer Psalter. Da legt er es bald wieder nieder 
und der Reuter behielt's. Aus dem uus mehr Zweifel zusiel, wer 
er doch were. Und sprach mein Gesell: „ich wollt' einen Finger 
ab der Hand geben, daß ich mich dieser Sprach verstund." Ant¬ 
wurt er: „ihr moget es wohl ergreiffen, wenn ihr anderst wollet 
Fleiß anwenden; denn ich die noch begehr, weiteres zu lernen und 
mich täglich darinnen übe." 
Demnach der Tag gar hinunter und sehr dunkel war, kam der 
Wirth für den Tisch; wie er verstanden unser hoch Verlangen und 
Begier nach dem Martin Luther, sprach er: „Liebe Gesellen, euch 
wär's gelungen, wo ihr vor zwei Tagen hie wärend gewesen: denn 
hie ist er an dem Tisch gesessen." Und zeigt mit dem Finger an 
den Ort. Das verdroß uns sehr und zum ersten, daß wir uns 
versäumbt hetten, ließen den Zorn an dem wüsten und unfertigen 
Weg aus, der uns verhindert het am Gon und sprachend: „es 
freut uus doch, daß wir in dem Haus, au dem Tisch, da er ge- 
sesseu, sind." Des macht' der Wirth wohl lachen und ging damit 
zur Thür hinaus. Nach einer kleinen Weile berüft mich der Wirth 
zur Stubenthür hinaus. Zu ihm kommend erschrack ich und be¬ 
dacht mich, was ich verunschickt und was ich unschuldig verdacht 
werde. Da sprach der Wirth zu mir: „Dieweil ich euch in Treuen 
erkenne, daß ihr den Luther zu hören und zu sehen begehrt: der 
ist's, der bei euch sitzt." Die Wort nahm ich gespötsweis an
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.