fullscreen: Auswahl deutscher Dichtungen von dem Nibelungenliede bis zur Gegenwart (Abtheilung 1)

397 — 
Der Geist des schönen Alls ist mir geworden, 
Von Freud' und Schmerz gleich fern, steh' ich bereit, 
Was auch das Leben bringt, recht zu empfangen. 
22. Januar. 
So oft du eine That zu thun gedenkst, 
Schau erst zu jenem blauen Himmel auf, 
Und sprich: „Das will ich thun! O schau' es du 
Und segn' es du, der still da droben herrschet!“ 
Und kannst du das nicht sagen, thu' es nicht 
Aus schnödem Trotz, aus eitler Menschenmacht, 
Weil schweigend er dich alles lässet thun. 
Denn wisse, was du auch gethan, du thnst 
Es auf zeitlebens in Erinnerung; 
Die gute That klingt hell den Himmel an 
Wie eine Glocke, ja er wird zum Spiegel, 
In dem du aufschauend felig dich erblickst; 
Du wähnst dann droben in dem blauen Himmel 
Zu wohnen! Oder ahnust, es wohn' in dir, 
Herabgesenkt, des Himmels stiller Geist. 
2. März. 
Stets mäßig! — nur ein gleich getragner Strom 
Von Himmelsglück soll durch den Busen fließen. 
Verdämme kein Gefühl; laß ihm den Lauf, 
Beleg' es nicht mit Eis, sonst bringt es Eisgang. 
Laß nie dich unterdrücken! Unterdrückte 
Erst sammeln tausendfache Kraft und sprengen 
Dann maßlos ihre Feinde in die Luft; 
Das willst du nicht. — Sei immer mild und freundlich — 
Daß Liebe nicht Vorliebe werd', unbillig 
Und ungerecht dann andern, die dir früher 
Lieb waren oder später lieb sein werden. 
Geh immer deinen Weg, der Sonne ähnlich, 
Mit gleichviel Licht und Wärme: will die Erde. 
Will nur ein Mensch sich zeitlang fern und schief 
Auf seiner Bahn verstellen gegen dich — 
Bleib dir nur treu, laß ihn an dir sich finden. 
Stets hoffe gleich; hast du zuviel gezürnt, 
Dann liebst du wiederum zu viel, zu schwach; 
Hast du zu viel gesündigt, betest du 
Zuviel. Erkenn' an ihrer übertreibung 
Im Guten wie im Bösen doch die Welt 
Maßloser, deren lante Sonntagsfrende 
Den stillen Schmerz der Wochentag' entdeckt, 
Der jeder Tag erst Ohren giebt zu hören,
	        
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