Full text: Der deutsche Kinderfreund

zur Beförderung guter Gesinnungen re. st 
Kopf, und der Angstschweiß lief ihr von der Stirn. 
Lange konnte sie eS in dieser Lage nicht aushalten; sie 
wagte es endlich auf einen Augenblick den Kopf hervor- 
zmiehrn. und siehe da die schreckliche weiße Gestalt 
stand nicht nur immer noch an der Kammerthür, son¬ 
dern bewegte sich auch. Jetzt fing Wilhelmine laut an 
zu schreien, und in dem Augenblick trat ihre Mutter in 
die Kammer. Aber Kmd, was ist dir denn! rief sie 
ihr zu; träumest du, oder wachst du 7 Ach Mutter' Mut¬ 
ter ! die weiße Gestalt! ich glaube gar du sichst Gespen¬ 
ster, erwiderte die Mutter; ermuntre dich, und fasse 
Muth Was ängstigt dich denn- GS kam nun her¬ 
aus, daß Wilhelmine ein weiße-Handtuch, welches an 
der Kammerthür hing, und worauf der Mond schien, 
für eine weiße Gestalt gehalten hatte. Die Mutter hatte 
an derKammerrhür gehorcht, ob Wilhelmine schlief, und 
indem sie die Thür öffnete, hatte sich daS Handtuch be¬ 
wegt. Wilhelmine schämte sich ihrer kindischen Furcht¬ 
samkeit, und sahe seit dieser Zeit nicht wieder Gespenster.' 
iS« Die gute Tochter. 
28ilhelm war sehr krank, und feine gute Mutter 
hatte, auS zärtlicher Besorgniß, schon drei Nächte hin¬ 
ter einander bei ihm gewacht. Marie, seine zwölfjähri¬ 
ge Schwester, fürchtete, daß ihre Mutter von den vie¬ 
len Nachtwachen endlich auch krank werden möchte. Da¬ 
her bat sie ihre Mutter herzlich, sie möchte ihr doch er¬ 
lauben die vierte Nacht bei dem kranken Bruder zu wa¬ 
chen. Aber die zärtliche Mutter wollte dieß n cht zuge¬ 
ben, theils weil Marie sehr schwächlich war. therlS weil 
sie fürchtete, sie möchte einschlafen, und Wilhelm dann 
ganz ohne Hülfe seyn. Nun wurde es Abend, und die 
abgemattete Mutter mußte sich doch endlich aus- Bette 
legen, weil ihr die Augen zufielen. Marie hatte sich 
zwar auch auf Befehl ihrer Mutter zu Berte gelegt, 
aber aus kiebe und Besorgniß konnte sie nicht einschla¬ 
fen, als sie hörte, daß die Mutter fest schlief stand 
sie sacht auf, nahm ihr Strickzeug und fetzte sich ne¬ 
ben dem Bette ihre- kranken Bruders auf die Erde. 
Hier gab sie genau auf ihn Acht, und so bald er sich btt
	        
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