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Abwendung alles Übels. Da man nun aber den jungen Ehemann so 
vergnügt hervorgehen sah, glätteten sich auch die Falten in den übrigen 
Angesichtern, ja der alte Fischer fing an, mit dem Ritter zu scherzen auf 
eine recht sittige, ehrbare Weise, so daß selbst die alte Hausfrau ganz 
freundlich dazu lächelte. Darüber war endlich Undine auch fertig ge¬ 
worden und trat nun in die Thür; alle wollten ihr entgegengehn, und alle 
blieben vor Verwunderung stehen: so fremd kam ihnen die junge Frau 
vor und doch so wohlbekannt. Der Priester schritt zuerst mit Vaterliebe 
in den leuchtenden Blicken auf sie zu, und wie er die Hand zum Segen 
emporhob, sank das schöne Weib andächtig schauernd vor ihm in die 
Kniee. Sie bat ihn darauf mit einigen freundlich-demütigen Worten 
wegen des Thörichten, was sie gestern gesprochen haben möge, um Ver¬ 
zeihung und ersuchte ihn mit sehr bewegtem Tone, daß er für das Heil 
ihrer Seele beten wolle. Dann erhob sie sich, küßte ihre Pflegeeltern 
und sagte, für alles genossene Gute dankend: „0 jetzt fühle ich es im 
innersten Herzen, wie viel, wie unendlich viel Ihr für mich gethan habt, 
Ihr lieben, lieben Leute!“ — Sie konnte erst gar nicht wieder von ihren 
Liebkosungen abbrechen, aber kaum gewahrte sie, daß die Hausfrau nach 
dem Frühstück hinsah, so stand sie auch bereits am Herde, kochte und 
ordnete an und litt nicht, daß die gute, alte Mutter auch nur die ge¬ 
ringste Müh waltun g über sich nahm. 
Sie blieb den ganzen Tag lang so: still, freundlich und achtsam. 
Die dreie. welche sie schon länger kannten, dachten jeden Augenblick, 
irgend ein wunderliches Wechselspiel ihres launischen Sinnes hervor¬ 
brechen zu sehen. Aber sie warteten vergebens darauf: Undine blieb 
engelmild und shnft. Der Priester konnte seine Augen gar nicht von 
ihr wegwenden und sagte mehrere Male zum Bräutigam: „Herr, einen 
Schatz hat Euch gestern die himmlische Güte durch mich Unwürdigen 
anvertraut; wahrt ihn, wie es sich gebührt, so wird er Euer ewiges und 
zeitliches Heil befördern.“ 
Gegen Abend zog Undine den Ritter sanft vor die Thür hinaus, wo 
die Sonne anmutig über den frischen Gräsern und um die hohen schlanken 
Baumstämme leuchtete. In den Augen der jungen Frau schwamm es 
wie Tau der Wehmut und Liebe; auf ihren Lippen schwebte es wie ein 
zartes, besorgliches Geheimnis, das sich aber nur in kaum vernehmlichen 
Seufzern kund gab. Sie gelangten an das Ufer des übergetretenen Wald¬ 
stromes, und der Ritter erstaunte, diesen in leisen Wellen verrinnend 
dahinrieseln zu sehen, so daß keine Spur seiner vorigen Wildheit und
	        
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