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Ein wichtiger Fabrikzweig gründet sich ferner auf den Meerschaum.
Dieses aus Kieselerde, Talk, Thon und Eisenoxyd bestehende Mineral
wird vorzüglich in der Türkei gegraben, von dort ausgeführt und dann
Zu Pfeifenköpfen verarbeitet. Eine beträchtliche Menge Rohstoff ging
früher beim Bohren und Schneiden verloren. Jetzt weiß man auch den
Abfall zu benutzen, indem man daraus die unechten Meerschaumköpfe
verfertigt. Man zerreibt und siebt ihn, mischt ihn mit Wasser und irgend
einem Bindemittel, namentlich mit Pfeifenthon, an, knetet ihn zu einem
Teige und behandelt letzteren getrocknet genau so wie den echten Meerschaum.
Die Erfindung dieses Verfahrens verdankt man dem haushälterischen Sinne
eines einfachen Bewohners des Thüringerwaldes, Christoph Dreiß in
Ruhla (1772).
Kein Tier stirbt, die Industrie weiß jeden Teil von ihm zu verwenden.
Ohne die Gedärme des Schafes würden wir Saiteninstrumente nicht
kennen, und der erhebenden Musik würde ein großer Teil ihres Wohllautes
abgehen. Die Tierhäute begründen dem Gerber seinen Herd, die Flechsen
und Sehnen dem Leimfabrikanten. Besonders letzterer weiß es, was aus
unscheinbaren Abfällen zu machen ist. Was der Weißgerber von seinen
Fellen als wertlos und unnütz abschabte, liefert ihm noch gegen 46% Leim.
Rindsfüße und Pergamentabschnitzel geben noch 62%, Abschnitzel von
Ochsenhäuten aus Buenos-Ayres 60 0% Selbst einen abgenutzten Handschuh
verachtet er nicht. Dieser liefert ihm noch mit allerlei Abfällen, z. B.
Hammelfüßen, kleinen Knochen, den unbrauchbaren, ihrer Haare beraubten
Hasen- und Kaninchenfellen des Hutmachers, mit vielerlei Abfällen der
Lohgerbereien gegen 42% Leim. Somit gründet sich wieder auf Brocken
ein neuer wichtiger Fabrikzweig. Was sollte ohne ihn der Tischler machen!
Wie sollte er die herrlichen Mahagonimöbel verfertigen, die durch Aufleimen
der sogenannten Fourniere hergestellt werden! Auch der Buchdrucker würde
seine unentbehrliche, aus Sirup und Leim bereitete Druckerwalze nicht
besitzen. Ja, ohne diese Leimwalze würden wir heute noch keine Schnell¬
presse haben. So greift die Umgestaltung des Verachteten durch die
Industrie in unsere Freuden, in tausend Verrichtungen, in unsere wichtigsten
Verhältnisse ein.
Die Industrie läßt nicht einmal das Stückchen Leder umkommen, das
eben als unbrauchbar vom Tische des Schuhmachers fiel. Ist es noch
groß genug, so wird daraus ein brauchbarer lederner Knopf verfertigt.
War das Stückchen zu klein, dann übernimmt es mit Vergnügen die
Berlinerblaufabrik. Ihr kommt es nicht aus Größe des Abfalls, sondern
lediglich auf diesen selbst und seine Billigkeit an. Sie glüht den tierischen
Stoff mit Pottasche, laugt das Verbrannte aus, versetzt die Lauge mit
Eisenvitriol und Alaun, worauf sich das kostbare Blau, welches sein Dasein
dem Stickstoffe des tierischen Stoffes verdankt, erzeugt. Was einst der
Mensch als Abfall mit Füßen trat, dient nun in der Kattundruckerei als
wichtiger Färbstoff für blau und grün, ebenso in den Färbereien für Seide,
Wolle und Baumwolle.
Auch um den tierischen Knochen, der sonst wertlos auf Wegen und
Angern herumlag, streitet sich die Industrie. Den wertvolleren braucht der
Knopffabrikant; jeder andere ist dem Znckerfabrikanten recht. Ohne das
schwarze Knochenmehl würde er den bräunlichen Zuckersaft nicht zu klären,
keinen Raffinadezucker zu liefern im stände sein. Wir erinnern uns hierbei