26 D. Aristoteles
dieser Hrt nun ist herrlicher, als daß es der bloß menschlichen Natur zu¬
käme. Denn nicht sofern einer Mensch ist, wird er solch ein Leben führen,
sondern sofern in ihm etwas Göttliches wohnt. Soweit aber dieses Leben
über das mit der sinnlichen Hatur verbundene Leben hervorragt, so weit
übertrifft auch diese Form der Betätigung diejenige, die aller sonstigen vor-
züglichkeit gemäß ist. wenn aber die denkende Vernunft im vergleich mit
dem Menschen etwas Göttliches ist, so ist auch das dieser Vernunft gemäße
Leben ein göttliches im vergleich mit dem menschlichen Leben. Ls soll also
nicht, wie die Moralprediger mahnen, wer ein Mensch ist, auf Menschliches
gerichtet sein, noch wer sterblich ist, sich am Sterblichen genügen lassen;
sondern man soll, soweit es möglich ist, das Unsterbliche ins herz faffen
und all sein Tun daraus einrichten, daß man lebe entsprechend dem, was
in uns das herrlichste ist. Denn wenn dies auch dem äußeren Maßstabe
nach in uns ein Unscheinbares ist, so ist es doch feiner Macht und feinem
Werte nach das bei weitem über alles hervorragende. 3a, mein darf sagen,
daß jeglicher eben dieses Göttliche selber ist; ist dies doch an ihm fein eigent¬
liches lDesen und fein besseres Teil. Es wäre also wider die Vernunft, wenn
er nicht fein eigenes Leben, sondern das eines fremden Wesens führen wollte.
So wird denn, was wir früher ausgeführt haben, auch mit dem jetzt Dar¬
gelegten übereinstimmen: was für einen jeden feinem eigentümlichen IDefen
nach das (Entsprechende ist, das ist für jeden auch das Wertvollste und Er¬
freulichste. Für den Menschen also ist es dasjenige Leben, das der denken¬
den Vernunft entspricht, wenn doch diese am meisten der Mensch selber ist.
Dieses Leben ist also auch das glückseligste.
III. Physik.
Raum und Zeit?
1. Phys. A, 4: [vier Voraussetzungen gelten für den Kaum]: Erstens
daß der Raum jenes umfaffe, dessen Raum er ist, und daß er nichts von
dem Dinge selbst ist. Ferner daß der Raum weder kleiner noch größer ist
als das Ding; sodann daß er von jedem Dinge abtrennbar ist; und außer¬
dem noch, daß jeder Raum das (Dben und Unten hat, und daß jeder Kör¬
per von Hatur aus in feinem ihm eigentümlichen Raume bewegt wird und
dort bleibt, dies aber entweder nach oben oder nach unten tut. — Der Raum
ist die Grenze des umschließenden Körpers, wobei unter dem von ihm Um¬
schlossenen das in der Raumbewegung Bewegbare zu verstehen ist. — Ferner
ist der Raum zugleich mit dem Dinge, denn zugleich mit dem Begrenzten
sind die Grenzen.
1 Die IDelt ist nach Aristoteles räumlich begrenzt, zeitlich aber unbegrenzt.
Die räumliche Gestalt ist die des vollkommensten Körpers: der Kugel; zeit¬
lich ist die IDelt in anfangs- und endloser Bewegung begriffen.