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Aus einem Nadelwalde — die Volkssprache nennt ihn auch bezeich—
nend Schwarzwald — treten wir in feierlicher, ernster Stimmung. Uns
umfing in ihm das ewige Einerlei der dicht gedrängt stehenden, schnur—
geraden Stämme, von denen hoch oben — denn unten haben sie sich des
dichten Schlusses wegen gereinigt — die herabgeneigten Aste sich zu dem
grünen Teppiche verschränken, dessen einzelne Fäden in der Höhe verschwin—
den; denn Ästchen und Nadeln sind zu fein, um sie gleich den Blättern
der Laubhölzer von unten erkennen zu können. Hoch oben auf dem letzten
Triebe der immer und immer nach oben strebenden Bäume sitzen die Amseln
und Drosseln und singen ihr weithin schallendes Solo über den stillen Wald,
während unter ihnen die Goldhähnchen und Meisen und kleinen Sylvien
ihre feinen Stimmchen probieren. Der Wind fährt in lang gehaltenen
Schwingungen über die Millionen feiner Nadeln hin, daß es kein kräftiges
Rauschen giebt, sondern ein ersterbendes, feines, fast pfeifendes Singen.
Im Düster des Tannenwaldes grünt kein Busch zu den Füßen der ragen—
den Stämme; nur Moose und Flechten, untermischt mit einigen feinen
Gräsern und schattenliebenden Kräutern, überziehen den ebenen Boden,
auf dem nichts den Fuß des Wanderers hindert, seine Schritte immer tiefer
in das verlockende Waldesdunkel, auf dem weichen Moospolster unhörbar,
zu lenken. Ein behagliches Schauern zieht ihn gedankenlos anfangs immer
tiefer hinein, bis es sich allmählich in ein leichtes unheimliches Grausen
verkehrt, ob er auch den Rückweg aus diesem großartigen Einerlei finden
werde, wo kein merkwürdig gestalteter Stamm, kein absonderlich kühn ge—
schwungener Ast ihm als Wegzeichen dienen könnte. Die Sprache des
Laubwaldes ist kühne Rede, die des Nadelwaldes wehmütiger Gesang.
In innigem Zusammenhang damit steht ihr Einfluß auf uns.
Der häufigste Baum in unseren deutschen Schwarzwäldern ist die
Fichte. Der Harz und das sächsisch-böhmische Grenzgebirge tragen fast
nur Fichtenwald. Im Schwarzwalde herrscht die stolze Tanne, auch
Weiß- oder Edeltanne genannt, während man die Fichte auch Rottanne
nennt. Im allgemeinen Ansehen sind sich beide sehr ähnlich, obgleich ein
geübter Blick schon von weitem Tanne und Fichte unterscheidet. Der
Stamm der Tanne ist vollholziger, d. h. er fällt nach der Spitze hin nicht
so schnell ab und kommt daher der Walzenform etwas näher. Vier Tannen—
stämme haben daher denselben Masseninhalt an Holz wie fünf Fichten—
stämme von gleicher Länge und von gleichem Durchmesser auf dem Stock—
abschnitte. Die Zweige der Tanne stehen wagerechter, die oberen sogar
etwas aufwärts gerichtet. Die Rinde ist immer grauweiß, was ihr eben
den Namen Weißtanne zum Unterschiede von der Fichte oder Rottanne
verschafft hat, welche an einer, wenigstens an der oberen Stammhälfte
mehr rotbraunen Rinde kenntlich ist. Das Grün der Tanne ist ein sat—
teres, an der unteren Seite der mehr buschigen Zweige ein deutliches
Blaugrün, hervorgebracht durch die blaugrüne Unterseite der breiteren Na—
deln. Es genügt, einmal die unterscheidenden Kennzeichen von Tanne und
Fichte genau gegeneinander erwogen zu haben, um diese Unterschiede auch
im ganzen und großen wirksam zu finden. Beide Bäume erhalten da—
durch einen ganz verschiedenen Charakter, den sie auch den Waldungen