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Kind in Kummer und versinken selbst in Elend und Schande! 159 000
von denen, die mit Gefängnis und Zuchthaus bestraft werden muhten,
begingen ihre Straftat im Rausche, 50% aller Morde wurden durch
Trinker verübt, 1600 Trunkenbolde wurden Selbstmörder. Sind das
nicht schreckliche Zahlen- Sie ergeben ohne weiteres, dah der Schaden
den Nutzen des Alkohols ungeheuer überwiegt.
Um die volkswirtschaftliche Bedeutung des Alkohols zu erkennen»
ist es ferner nötig, die Kosten zu berechnen» die seine Herstellung ver¬
ursacht. Wir meinen nicht die Geldkosten für den einzelnen. Es muh
vielmehr festgestellt werden, welche volkswirtschaftlichen Kosten er
verursacht, d. h. wieviel Urbeit und wieviel Boden er zu seiner Her¬
stellung braucht. Im Altahol heckt die Arbeit sehr vieler Menschen:
der Landarbeiter, die die Mewberge pflegen, Getreide, Kartoffeln,
Hopfen erzeugeil, der Küfer, Brauer imb Brenner, der Böttcher»
Glasbläser, Korken-, Stanniol- und Flaschenverschluhfabrikanten, der
Menschen, die die Getränke befördern und verkaufen, der Gastwirte
und Kellner. Schon vor mehr als 25 Jahren hat von Bunge, Pro¬
fessor der Medizin in Basel, berechnet, dah ein Zehntel der Bevölkerung
Deutschlands sich damit beschäftigt, dah also ein Zehntel unsrer ge¬
samten Volksarbeir dem Alkohol geopfert wird. Könnte diese ge¬
waltige Arbeit, die einer ganz wertlosen, ja schädlichen Sache ge¬
widmet ist, nicht viel besser der Erzeugung von Nahrungs- und Kultur¬
mitteln dienen?
Ganz ähnlich ist es mit den Bodenkosten. Professor von Dunge
hat berechnet, dah ein Zehntel des gesamten deutschen Bodens dem
Anbau der Rohstoffe für die Alkoholerzeugung zu Trinkzwecken ge¬
opfert wird. Dieselbe Bodenfläche brauchte nicht anders verwendet
zu werden, abgesehen von der Anbaufläche für Hopfen; aber die
Menge der vorhandenen Nahrungsmittel könnte um ein Zehntel
vermehrt werden, wenn wir auf den Genuh alkoholischer Getränke
verzichten würden.
Das war vor 25 Jahren. Wenn wir nun lesen, dah unmittelbar
vor dem Kriege (vgl. E. v. Seydlitz, Handbuch der Geographie 1914)
in Deutschland 26 966 ha mit Hopfen, 108 840 ha mit Weinstöcken
bebaut waren, dah 70 350 000 hl Bier und 3 460 000 hl Branntwein
bei uns erzeugt wurden, so müssen wir erkennen, dah sich seitdem
leider nichts geändert hat. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der al¬
koholischen Getränke ist also immer noch ebenso groß wie verhängnis¬
voll. Könnten wir uns zu einer Einschränkung der Alkoholerzeugung
auf das unbedingt notwendige Mäh entschliehen, so würden viel Boden