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19. „Gott laß euch eure Spangen selber wohlgedeihn, 
Wir nehmen nichts zu Lohne," sprach das Mägdelein; 
,Aragt, was ihr wollt, wir müssen schnell von hinnen; 
Säh' man uns mit euch reden, das wär' mir leid von Herzen und 
von Sinnen." 
20. „Wem ist dieses Erbe und dieses reiche Land, 
Dazu die guten Burgen? Wie ist er genannt, 
Der euch ohne Kleider läßt so schmachvoll dienen? 
Wollt er auf Ehre halten, euch anders zu behandeln würd' ihm ziemen." 
21. Sie sprach: „Der Fürsten einer heißet Hartmuth, 
Dem dienen weite Lande und feste Burgen gut; 
Der andre heißet Ludwig von Normandie der reiche. 
Ihnen dienen viel der Helden; sie sitzen ruhmvoll hier in ihrem Reiche." 
22. „Gerne möchten wir sie sehen," sprach da Ortwein. 
„Könnt ihr uns bescheiden, ihr schönen Mägdelein, 
Wo wir die Fürsten beide in ihrem Lande finden? 
Wir sind an sie gesendet, selber eines Königs Ingesinde." 
23. Gudrun die hehre sprach zu den Helden da: 
„Ich ließ sie in der Feste; heute Morgen sah 
Ich sie zu Bette liegen wohl mit vierzig hundert Mannen; 
Ich weiß nicht zu sagen, ob sie seitdem geritten sind von dannen." 
24. Da sprach der König Herwig: „Könnt ihr uns denn sagen, 
Vor wem die Kühnen so große Sorge tragen, 
Daß sie so viel Helden halten zu allen Zeiten? 
Zög' ich damit zu Felde, ich möchte wohl ein Königsland erstreiten." 
25. „Das können wir nicht sagen," sprachen die Frau'n, 
„Wir wissen nicht, wohin sie nach andern Ländern schaun. 
Ein Land liegt in der Weite, das heißet Hegelingen; 
Sie fürchten zu allen Zeiten, das möcht' ihnen grimmeFeinde bringen." 
26. Nach zitterten vor Kälte die schönen Mägdelein; 
Da sprach der König Herwig: „Möchte das doch sein, 
Daß es euch Minnigliche deuchte keine Schande, 
Wenn ihr edeln Mädchen unsre Mäntel trüget auf dem Strande." 
27. Da sprach Hildens Tochter: „Gott laß euch selbst gedeihn 
Eure Mäntel beiden! An dem Leibe mein 
Sollen Niemands Augen Manneskleider sehen." 
Wenn sie sich erkennten, ihnen könnte Lieb'res nicht geschehen! 
28. Oftmals blickte Herwig die Jungfrau forschend an; 
Sie schien so schön dem Degen und auch so wohlgethan, 
Daß es ihn im Herzen oft zum Seufzen brachte; 
Sie glich so sehr der Einen, an die er oft gar inniglich gedachte. 
29. Da sprach von Ortland wieder der König Ortwein: 
„Ich frag' euch Mädchen beide, sollt' euch bekannt nicht sein 
Ein fremdes Ingesinde, das kam zu diesem Land? 
Eine war darunter, die wurde Gudrun genannt"
	        
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