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41. Da sprach der edle Ritter: „So seht meine Hand, 
Ob ihr das Gold erkennet; Herwig bin ich genannt. 
Mit diesem Mahlschatz sollt' ich Gudrunen minnen; 
Seid ihr denn meine Gattin, wohlan, ich führ' euch minniglich 
von hinnen." 
42. Wie nach der Hand sie schaute und nach dem Ringelein, 
Da lag in dem Golde von Abale der Stein, 
Der beste, den sie je gesehn all' ihres Lebens Tage; 
Einst hatt' ihn Gudrune, die schöne, selber an der Hand getragen. 
43. Sie lächelte vor Wonne. Da sprach das Mägdelein: 
„Das Gold erkenn' ich wieder, vor Zeiten war es mein. 
Nun sollt ihr dieses sehen, das mein Gebieter sandte, 
Da ich armes Mädchen mit Freuden war in meines Vaters Lande." 
44. Wie nach der Hand er schaute, und das Gold ersah, 
Herwig der edle sprach zu Gudrun da: 
„Dich hat auch anders Niemand als Königsblut getragen. 
Nun hab' ich Freud' und Wonne gesehn nach langem Leid und 
bösen Tagen." 
45. Da umschloß er mit den Armen die herrliche Maid; 
Was sie gesprochen hatten, gab ihnen Lieb und Leid. 
Auch bedeckt' er mit Küssen den Mund, die Niemand zählte, 
Ihr und Hildeburgen, der minniglichen Magd, der auserwählten. 
. 46. Ortwein begann zu fragen die herrliche Maid — 
Sie schämte sich darüber, es war ihr selber Leid, — 
Ob sie nicht anders dienen könnten hier im Lande, 
Als daß sie Kleider zu allen Zeiten wüschen hier am Strande. 
47. „Nun sagt mir, Frau Schwester, wem ihr die Kinder gabt, 
Die ihr dem König Hartmuth seitdem getragen habt, 
Daß ihr so alleine waschet auf dem Griese? 
Seid ihr des Landes Königin, das läßt man euch gar übel hier genießen." 
48. Sie sprach zu ihm mit Weinen: „Wo nähm' ich Kinder her? 
Wohl wissen alle Leute in König Hartmuth's Heer, 
Daß er mir vergebens solches stets geheißen, 
Daß ich ihn nehmen sollte; drum muß ich saurer Arbeit mich 
befleißen." 
49. Da sprach der König Herwig: „Wohl mögen wir gestehn, 
Uns ist auf dieser Reise so großes Glück geschehn, 
Besser konnt' es wahrlich nimmer uns gelingen; 
Nun laßt uns nur eilen, daß wir sie weg von diesem Strande 
bringen." 
50. Da sprach der Degen Ortwein: „Nicht doch, das thu' ich nie; 
Und hätt' ich hundert Schwestern, all' sterben ließ ich sie, 
Eh' ich mich in der Fremde so feige wollte hehlen, 
Die mit Gewalt sie nahmen, meinen grimmen Feinden wegzustehlen."
	        
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