Full text: Sieben Bücher deutscher Dichtungen

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Alte Zeit. 
Sie stellten sich, als hätten sie nichts davon vernommen, 
Obwohl zu ihren Ohren die Stimme war gekommen: 
Zu laut gesprochen hatte Herwig der König. 
Daß er seiner Trauten so nah wär, des versah der Held sich wenig. 
Sie gingen in den Hemden, die waren naß zu schaun, 
Besser einst gekleidet sah man die edlen Frau'n, 
Vor Kälte mußte beben das arme Ingesinde; 
Kläglich war ihr Leben: sie umwehten kalte Märzenwinde. 
Es war in den Tagen, da der Winter Abschied nimmt. 
Und der Vogel mit Zagen die Kehle wieder stimmt. 
Daß er singe seine Weise, wenn der März entschwunden. 
In Schnee und im Eise wurden die armen Waisen gesunden. 
Herwig der edle ihnen guten Morgen bot: 
Wohl wär' den Heimatlosen ein guter Morgen not. 
Von ihrer bösen Meisterin hörten sie nur schelten, 
Guten Morgen, guten Abend, kam den minniglichen Maiden selten. 
„Ihr sollt uns hören lassen," sprach Herr Ortewein, 
„Wem diese reichen Kleider auf dem Strande sei'n, 
Oder wem ihr waschet: ihr beiden seid so schöne. 
Wie thut er's euch zu Leide? Daß ihn Gott vom Himmel immer höhne. 
„Ihr seid so schön, ihr dürftet wohl die Krone tragen 
Und einem reichen König als Erbinnen behagen. 
Landesfrauen heißen solltet ihr mit Ehre; 
Dem ihr so schmachvoll dient, hat er so schöner Wäscherinnen mehre?" 
Da sprach mit trübem Mute das schöne Mägdelein: 
„Er hat noch manche schöner als wir mögen sein. 
Nun fragt was ihr wollet: würd' es die Meist'rin inne, 
Es würd'uns schlimm bekommen,säh' sie uns mit euch sprechen von denZinnen." 
„Laßt es euch nicht verdrießen und nehmt unser Gold, 
Guter Spangen viere; das sei euer Sold, 
Daß ihre schöne Frauen uns Kunde möget sagen: 
Wir geben sie euch gerne, daß ihr Bescheid uns sagt aus unsre Fragen." 
„Gott laß euch eure Spangen selber wohl gedeihn. 
Wir nehmen nichts zu Lohne," sprach das Mägdelein; 
„Fragt was ihr wollet; wir müssen schnell von hinnen, 
Säh' man uns mit euch reden, das würd' mir leid von Herzen und vonSinnen." 
„Wem ist dieses Erbe und dieses reiche Land, 
Dazu die guten Burgen? Wie ist er genannt. 
Der euch ohne Kleider läßt so schmachvoll dienen? 
Wollt' er auf Ehre halten, euch anders zu behandeln würd' ihm ziemen." 
Sie sprach: „Der Fürsten einer heißet Hartmuth: 
Dem dienen weite Lande und feste Burgen gut; 
Der andere heißt Ludwig von Normandie der reiche- 
Ihm dienen viel der Helden, sie sitzen ruhmvoll hier in ihrem Reiche." 
Gern möchten wir sie sehen," sprach da Ortewein. 
„Könnt ihr uns bescheiden ihr schönen Mägdelein, 
Wo wir die Fürsten beide in ihrem Lande finden? 
Wir sind an sie gesendet, selber eines Königs Ingesinde."
	        
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