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Steinen wie zusammengewachsen, stehen sie fester, als ihre bequemen 
Collegen im zahmen Forstboden des flachen Landes. So stehen auch 
im Leben jene großen Männer, die durch das Überwinden früher 
Hemmungen und Hindernisse sich erst recht gestärkt und befestigt 
haben. — Auf den Zweigen der Tanuen kletterten Eichhörnchen, und 
uͤnter denselben spazierten die gelben Hirsche. Wenn ich so ein liebes 
edles Thier sehe, so kann ich nicht begreifen, wie gebildete Leute 
Vergnügen daran finden, es zu hetzen und zu tödten. 
Allerliebst schossen die goldenen Sonnenlichter durch das dichte 
Tannengrün. Eine natürliche Treppe bildeten die Baumwurzeln. 
Überall schwellende Moosbänke; denn die Steine sind fußhoch von 
den schönsten Moosarten wie mit hellgrünen Sammtpolstern bewachsen. 
Liebliche Kühle und träumerisches Quellengemurmel. Hier und da 
sieht mian, wie das Wasser unter den Steinen silberhell hinrieselt und 
die nackten Baumwurzeln und Felsen bespült. Wenn man sich nach 
diesem Treiben hinabbeugt, so belauscht man gleichsam die geheime 
Bildungsgeschichte der Pflanzen und das ruhige Herzklopfen des 
Berges. An manchen Orten sprudelt das Wasser aus den Steinen und 
Wurzeln stärker hervor und bildet kleine Wasserfälle. Da läjst sich 
gut fitzen. Es murmelt und rauscht so wunderbar, die Vögel singen 
abgebrochene Sehnsuchtslaute, die Bäume flüstern wie mit tausend 
Zungen, wie mit tausend Augen schauen uns an die seltsamen Berg— 
blumen, sie strecken nach uns aus die wundersamen breiten, drollig 
gezackten Blätter, spielend flimmern hin und her die luftigen Sonnen— 
strahlen, die sinnigen Kräutlein erzählen sich grüne Märchen, es ist 
alles wie verzaubert, es wird immer heimlicher und heimlicher. 
Je höher man den Berg hinaufsteigt, desto kürzer, zwerghafter 
werden die Tannen, sie scheinen immer mehr und mehr zusammen— 
zuschrumpfen, bis nur Heidelbeer- und Rothbeersträucher und Berg— 
kräuter übrig bleiben. Da wird es auch schon fühlbar kälter. Die 
wunderlichen Gruppen der Granitblöcke werden hier erst recht sichtbar; 
diese sind oft von erstaunlicher Größe. Das mögen wohl die Spiel— 
bälle fein, die sich die bösen Geister einander zuwerfen in der Wal— 
purgisnacht, wenn hier die Hexen auf Besenstielen und Mistgabeln 
einhergeritten kommen. In der That, wenn man die obere Hälfte 
des Brockens besteigt, kann man sich nicht erwehren, an die ergötz— 
lichen Blocksberggeschichten zu denken. Es ist ein äußerst erschöpfender 
Weg, und ich war froh, als ich endlich das langersehnte Brockenhaus 
zu Gesicht bekam. 
Dieses Haus, das auf der Spitze des Berges liegt, wurde erst 
1800 vom Grafen Stolberg-Wernigerode erbaut. Die Mauern sind 
erstaunlich dick, wegen des Windes und der Kälte im Winter; das 
Dach ist niedrig. Vor dem Hause steht eine thurmartige Warte, 
und bei dem Hause liegen noch zwei kleine Nebengebäude, wovon das 
eine in früheren Zeiten den Brockenbesuchern zum Obdach diente.
	        
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