Deutsches Lesebuch: Prosa

Bibliographic data

Multivolume work

Persistent identifier:: PPN816885338

URN:: urn:nbn:de:0220-gd-13580161

Title:: Deutsches Lesebuch

Author:: Buschmann, H. (06.12.1845-09.01.1904)

Place of publication:: Trier

Publisher:: Lintz

Document type:: Multivolume work

Collection:: Readers,imperial Germany

Publication year:: 1881

Copyright:: Georg-Eckert-Institut - Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung

Language:: German

Volume

Persistent identifier:: PPN81699305X

URN:: urn:nbn:de:0220-gd-17600294

Title:: Prosa

Shelfmark:: DEG-II 44(9,16)-2,3

Volume count:: Abt. 3

Place of publication:: Trier

Publisher:: Lintz

Document type:: Volume

Collection:: Readers,imperial Germany

Publication year:: 1916

Edition title:: 9. Aufl. besorgt von E. Genniges

Scope:: V, 464 S.

Copyright:: Georg-Eckert-Institut - Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung

Language:: German

Subtitle:: Geschichte der deutschen Nationalliteratur in Übersichten und Proben

Chapter

Title:: Erster Abschnitt

Document type:: Multivolume work

Structure type:: Chapter

Chapter

Title:: I

Document type:: Multivolume work

Structure type:: Chapter

Z sei; es konnte keine geeigneter sein, eine wetteifernde Anspannung der Kräfte, eine allgemeine Hingebung und Opferbereitschaft hervorzurufen. Aber mit Opfern und Kriegsmut allein war es nicht geschehen; auch die besten Gesetze halfen hier nicht aus. Athen bedurfte nach den Siegen einer festen, besonnenen und klugen Leitung der öffentlichen Angelegenheiten, es bedurfte eines kräftigen, persönlichen Regiments, es bedurfte eines Mannes, wie Perikles war. Perikles war kein selbstsüchtiger Parteimann und kein neuerungssüchtiger Demagoge, der mit der Vergangenheit des Staats brechen wollte. Er ent— stammte selbst dem ältesten Landesadel und zugleich dem Geschlechte der Alk— mäoniden, das zu dem jüngeren Adel gehörte und die Idee der Bewegung im Staate vertrat. Mit der Vorzeit des Landes eng verwachsen, war er aber zugleich von den Interessen der Gegenwart lebendig erfüllt. In ihm lebten die Gedanken des Themistokles, nur daß er mit Besonnenheit und Gerechtigkeit ausführen wollte, was jener in Hast und gewalttätig erzielte; denn er war als Staatsmann gewissenhaft und uneigennützig wie Aristides, dabei als Feldherr glücklich und unüberwindlich wie der Sohn des Miltiades. Aber die Lage des Staats verlangte mehr als eine Vereinigung der Vorzüge, welche die früheren Staatsmänner Athens ausgezeichnet hatten. Athen bedurfte einer königlichen Leitung; aber ein Königreich läßt sich nicht schaffen, wenn es untergegangen ist. Auch der Adel konnte nicht wieder an die Spitze treten; denn wenn es auch im Volke an alten Geschlechtern nicht fehlte, die noch immer durch reichen Besitz und angestammte Tüchtigkeit eine politische Bedeutung sich bewahrt hatten, so hatten sie sich doch in den Freiheitskriegen nicht bewährt; in ihren Kreisen hatte sich mannigfache Hinneigung zum Nationalfeinde gezeigt, die Erhaltung ihrer Standesrechte hatte ihnen höher gegolten als des Volkes Ruhm und Ehre, und was Athen betrifft, so hatte sich hier deutlich gezeigt, daß die Aristokratie ihre Vaterstadt lieber unter Sparta gebeugt als in freier Verfassung aufblühen sehen wollte. Die ernste Mahnung der Geschichte, daß alle politischen Rechte verwirkt werden, wenn deren Inhaber sich in frevel— haftem Selbstdünkel der Bewegung der Zeit entgegenstemmen, hatte sich auch hier bewährt; der Adel hatte die Führerschaft verloren, und seine Schuld war es, daß die Demokratie die allein mögliche Verfassung war. d Aber auch sie war praktisch unmöglich. Denn wie kann die Leitung eines ausgedehnten Reichs, das aus weitzerstreuten und locker verbundenen Gliedern besteht und überall angefeindet und bedroht wird, einer Bürgermenge überlassen werden, die auf offenem Markte tagt und in ihrer Gesamtheit unfähig ist, verwickelte Staatsverhältnisse zu behandeln! Nicht selten sind in der Geschichte solche Fälle eingetreten, wo ein Staat plötzlich in Verhältnisse kommt, in denen die hergebrachte Verfassung sich für den erweiterten Beruf untauglich erweist, und es fehlt dann nicht an kühnen Männern, welche die Mängel abzustellen suchen. In allen Fällen dieser Art, wo aus praktischen Gründen die Staatsordnung als untauglich beseitigt wird, finden wir, daß mehr oder minder schroff das Recht gebrochen wird, und daß unberechtigte Gewalten, wie die des Geldes, des soldatischen Anhangs und der durch schlechte Mittel erworbenen Volksgunst, den Staat an sich reißen. Nur eine Macht gibt es, die in allen Zeiten die wahrhaft berechtigte ist, das ist die Macht des Geistes, die Macht hervorragender Einsicht und Tugend. In dem Maße, wie diese zur Geltung kommt, ist jede Verfassung normal

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