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auf der ganzen Umfassnngslinie verstummte; als man in freudiger Erregung
aus den Laufgräben heraustrat und sich die Hände schüttelte; als von
Schanze zu Schanze der Triumphruf scholl: „Die weiße Fahne am
Münster! Straßburg hat kapituliert!" — da zog es wie ein tiefer, feierlicher
Ernst in den jungen Brandenburger. Er nahm den Helm ab, strich sich
über die Stirn und atmete tief auf; und hinüberschauend auf die „wunder¬
schöne Stadt", die jetzt, beinahe als ein halber Trümmerhaufen, erobert
vor den deutschen Siegern lag, fühlte er ein tiefes Dankgebet zum Herrn
der Weltgeschichte in feinem Herzen aufsteigen. „Wir haben dich wieder¬
geholt, alte Reichsstadt!"
^?9. Die seiden vom Iltis. von pa«i Ko*.
Deutsches Flottenlesebuch. Herausg. von P. Koch u. H. Bork. Leipzig 1901. 8. 94.
ftsn der chinesischen Küste war fast fünfzehn Jahre lang ein deutsches
vl Kanonenboot stationiert, das den Namen „Iltis" trug und die
Aufgabe hatte, in diesen fernen Meeren die politischen und Handels¬
interessen des Heimatlandes wahrzunehmen. Oft hatte das kleine Fahr¬
zeug Gelegenheit gehabt, in hervorragender Weise für die Ehre seiner
Flagge einzutreten, und an der ganzen Küste erfreute der „Iltis" sich
hohen Ansehens und war überall ein gern gesehener Gast.
Im Juli 1896, nachdem nicht lange vorher Kapitänleutnant Braun
das Kommando des Kanonenbootes übernommen hatte, erhielt der „Iltis"
den Befehl, von Tschifu aus eine Aufklärungsfahrt längs der Schantung-
küste zu unternehmen. Am 23. Juli morgens trat der „Iltis" seine
Reise bei keineswegs stürmischem Wetter an, und niemand ahnte, daß
er von derselben nicht zurückkehren sollte. Am späten Nachmittag wurde
das Fahrzeug von den Leuchtturmwärtern bei Kap Schantung zuletzt
gesehen. Im Laufe des Tages waren Wind und Regen auf¬
gekommen, und die Segelführung ließ die Leute auf dem Leuchtturm
erkennen, daß man an Bord auf das sich verschlechternde Wetter gute
Obacht hatte.
Die Schiffsmannschaft ließ sich unterdessen den Wogenprall draußen
nicht weiter verdrießen; man war schon bei schlimmerem Sturm gefahren,
und das Schiffchen hatte bisher jede Prüfung wacker überstanden. In
den späteren Abendstunden wurden Sturmsegel untergeschlagen und
gesetzt, dann erhielt die Freiwache Hängematten, und bald vergaßen die
seegewohnten Schläfer die unbehagliche Umgebung, das Heulen des
Windes und das Rauschen der wild wogenden See. Die Maschine
arbeitete unterdessen mit ganzer Kraft. Leider waren einige Heizer krank
und mußten durch ungeübte Matrosen vertreten werden; doch gelang es,
die erforderliche Maschinenleistung zu erreichen, und wenn auch das
Schiffchen stark überlag und viel Wasser das Deck überflutete, ging es
doch unverdrossen seinen Weg. Um zehn Uhr abends wurde „Alle Mann"