Full text: Für die untern und mittlern Klassen (Theil 1, [Schülerband])

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12. Und Wort um Wort, und Streich 
um Streich, 
Das war ein tapfer Gebet; 
Bei jedem Spruch lag alsogleich 
Ein Heide dahingemäht. 
13. Und es klaffte dem Ritter das 
Stahlhemd weit, 
Und es färbten die Ringe sich roth. 
Er aber ward nicht laß im Streit, 
Und jeder Schlag war Tod. 
14. Und es barst sein Schild, und es 
sank sein Pferd, 
Da kämpft' er fort zu Fuß; 
Mit beiden Händen schwang er das Schwert 
Und betete weiter den Gruß. 
15. Doch als zu Ende das Ave ging, 
Er führte noch Einen Streich, 
Und in gethürmter Leichen Ring 
Hinsank er blutig und bleich. 
16. Sein Mund ward stumm, sein Arm 
ward schwer, 
Im Tode stand sein Herz; 
Nicht Amen konnt' er sprechen mehr, 
Das war sein letzter Schmerz. 
17. Doch die Lithauer warfen die Ren¬ 
ner herum, 
Kein Streit mehr lüstete sie. 
Gerettet war das Heiligthum 
Durch des Ritters: Ave Marie. 
18. Gott geb' ihm droben selige Statt 
Auf's tosende Schlachtgetümmel! 
Wer so auf Erden gebetet hat, 
Mag Amen sagen im Himmel. 
G e i b e l. 
85. Das Negerweib. 
O Herz und schaue nicht nach Westen unverwandt 
Im Sonnenuntergang liegt nicht der Freiheit Land; 
Was ist's, das dort hinaus dich triebe? 
Dort rauscht kein Lorbeer für des frommen Sängers Gruft, 
Dort sind die Vögel stumm, die Blumen ohne Duft, 
Die Menfchenherzen ohne Liebe. 
1. Wo am großen Strom die Sicheln durch das hohe Rohrfeld klirren, 
Und im Laub des Zuckerahorns sarb'ge Papageien schwirren, 
Sitzt das Negerweib, den Nacken bunt geziert mit Glaskorallen, 
Und dem Knäblein auf dem Schoße läßt ein Schlummerlied sie schallen: 
2. Schlaf, o schlaf, mein schwarzer Knabe, du zum Jammer mir geboren, 
Eh' zu leben du beginnest, ist dein Leben schon verloren. 
Schlaf, o schlaf, verhüllt in Dunkel ruhn dir noch der Zukunft Schrecken; 
Nur zu früh aus deinen Träumen wird der Grimm des Herrn dich wecken. 
3. Was die Menschen Freude heißen, wirst du nimmermehr empfinden, 
Dort nur fühlt sich's, wo des Nigers Wellen durch die Flur sich winden. 
Nie den Tiger wirst du fällen mit dem Wurf der scharfen Lanzen, 
Nie den Reigen deiner Bäter zu dem Schlag der Pauke tanzen. 
4. Nein, dein Tag wird sein voll Thränen, deine Nacht wird sein voll Klagen. 
Wie das Thier des Feldes wirst du stumm das Joch der Weißen tragen, 
Wirst das Holz den Weißen fällen und das Rohr den Weißen schneiden, 
Die von unserm Marke prassen und in unsern Schweiß sich kleiden. 
5. Kluge Männer sind die Weißen; sie durchfahren kühn die Meere, 
Blitzesglut und Schall des Donners schläft in ihrem Jagdgewehre; 
Ihre Mühlen, dampfgetrieben, regen sich mit tausend Armen; 
Aber ach, bei ihrer Klugheit wohnt im Herzen kein Erbarmen. 
6. Oftmals hört' ich auch die Stolzen sich mit ihrer Freiheit brüsten, 
Wie sie kühn vom Mutterlande losgerissen diese Küsten, 
Aber über jenen Edeln, der mit Muth das Wort gesprochen, 
Daß die Schwarzen Menschen wären, haben sie den Stab gebrochen. 
7. Süß erklinget ihre Predigt, wie ein Gott für sie gestorben 
Und durch solches Liebesopser aller Welt das Heil erworben; 
Doch wie soll das Wort ich glauben, wohnt es nicht in ihren Seelen? 
Ist denn das der Sinn der Liebe, daß sie uns zu Tode quälen?
	        
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