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Gruppe. Es schien, als ob die Züge des Gottessohnes im 
Sterben sich nochmals belebten und, während die Lider seines 
brechenden Auges sich senkten, seinem halbgeöffneten Munde 
eben erst die Worte entströmten: „Vater, in deine Hände 
befehle ich meinen Geist!" 
Da öffnete sich leise die Tür und Adam Kraffts Gattin 
Magdalena erschien auf der Schwelle. Sie hatte ihr Hauskleid 
mit einem etwas besseren Gewände vertauscht und schien 
ausgehen zu wollen. Ihr erster Blick fiel auf das Bildwerk, 
und obwohl sie dasselbe allmählich hatte entstehen sehen, 
erschien es ihr doch in dieser Abendbeleuchtung ganz anders 
als vordem — bedeutender, vollendeter und vor allem er¬ 
greifender. So stand sie denn einen Augenblick wie fest¬ 
gebannt, die Hände unwillkürlich zusammengefaltet; „Christus, 
erbarme dich meiner!" glitt es über ihre Lippen. 
Nun erst schien sie den Schlummernden zu erblicken: 
„O, er ist unermüdlich fleißig gewesen, sein Werk zum Ab¬ 
schlüsse zu bringen; kaum daß die hereinbrechende Nacht 
ihn bewog die Arbeit ruhen zu lassen. Und sobald das 
Morgenlicht aus diesen Räumen die Schatten vertrieb, hat 
er sie wieder aufgenommen. Jetzt aber kommt die Ab¬ 
spannung und seine Kräfte versagen ihm! . . . Ob ich ihn 
wecke? Er versprach mir mit hinauszugehen, damit er auch 
einmal wieder die Vöglein singen höre; nur noch wenige 
Augenblicke solle ich ihm lassen, damit er morgen die fertige 
Arbeit dem Martin Ketzel zeigen könne. Nun ist er darüber 
eingeschlafen! . . 
Sie lenkte nochmals ihren Blick auf die Steingruppe. 
„Doch was sollte hier noch fehlen? Es ist so schön, so überaus 
rührend! Adam muß aufhören zu bessern, er muß mit mir 
hinaus auf die Elur!" Leise berührte sie mit der Hand sein 
herabgesunkenes Haupt: „Du wolltest mich bei einem Abend¬ 
spaziergange begleiten!" Jäh fuhr er auf, strich sich mit der 
Rechten über die Stirne, blickte erstaunt auf die Gattin und 
fragte: „Habe ich lange geschlafen?" — „Längst sind die 
Gesellen fortgegangen und die Sonne senkt sich hinab; 
dennoch, fürcht’ ich, hast du noch vor kurzem gearbeitet
	        
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