34. Eine Scbaffertnabl|eit in Bremen*
Von Hanns von Zobcltitj.
Daheim. 38. Jahrgang (1902). 30. Heft. 8. 18.
Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts taten sich die Ältesten der
Bremer Schiffergesellschaft zusammen, um dem hohen Rate der
Stadt „etliche Artikel" vorzulegen. Es sei, so hieß es in diesen, schon
in alten Tagen ein guter Brauch gewesen, auf bremischen Schiffen Gaben
für fromme Stiftungen zu sammeln; aber die Gelder seien vielfach übel
bewahrt, ja vergeudet worden: „Der allmächtige Gott, dem man für jede
glückliche Seereise hätte danken sollen, ist in der letzten Zeit schon so oft
zur Ungnade und Strafe bewogen worden, und die vernachlässigten
Schiffer sieht man zur Unehre und Verkleinerung der Schiffahrt auf den
Straßen der Stadt liegen und vor den Türen betteln. Wir bitten
deshalb den Rat, jene alten Schiffsgelder zum Vorteil der Armen ein¬
zuziehen und die zusammengebrachten Gaben in eine Kiste zu legen."
Also geschah es, denn der Rat fand den Wunsch „christlich, billig und
verständig, zur Ehre des Allmächtigen und aus Liebe zum Nächsten ein¬
gerichtet." Die „Kiste" füllte sich fast überraschend schnell und wuchs
sich zu einer großen Stiftung aus, „Haus Seefahrt" genannt, die hilfs¬
bedürftigen Seefahrern und deren Hinterbliebenen diente. Sie ist treu
bewahrt worden durch allen Wechsel der Zeiten, in guten und in schlechten
Tagen. Seit 1874 hat sich „Haus Seefahrt" dann ein neues Heim
eingerichtet, nachdem das alte Haus der Stadtverschönerung zum Opfer-
fallen mußte — ein neues, schönes Haus an der Lützower Straße, umgeben
von den „Pröwenwohnungen", welche die Stiftung verwitweten Kapitäns¬
frauen darbietet.
Von alten Zeiten her feierten die Vorsteher des Hauses Seefahrt
bei der alljährlichen Rechnungslegung ein gemeinsames Fest; Feste zu
feiern liebten ja unsere Altvorderen. Die frohe Mahlzeit verband sich
bald mehr und mehr mit einem Abschiedseffen, das die Reeder ihren
Kapitänen gaben, wenn die Weser eisfrei wurde und die Schiffer hinaus¬
ziehen konnten nach England oder den skandinavischen Häfen oder weiter
zum Mittelmeer. Damals war ja die Schiffahrt ganz anders als heute
von der Jahreszeit abhängig. Das ist der Ursprung der Seefahrts¬
mahlzeit oder des Schafferessens, das heute noch alljährlich einmal Mitte