R. Baumbach: Des Zeisigs Begräbnis.
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4. Gott Lob und Preis! Gott Lob
und Preis!
Das ist der Wachtel Lehr'.
Die Felder sind zur Ernte weiß,
Gebt unserm Gott die Ehr'!
Für jede Garbe: Gott sei Dank!
Die unter eurer Sichel sank!
5. Vergeht nicht mein! Vergeht nicht
mein!'
Das ist der Wachtel Bitt'.
j Und räumt mir auch ein Restchen ein
Von euerm Ährenschnitt;
Vergesset nicht des Armen heut,
Wenn euch der gute Tag erfreut!
6. Behüt' euch Gott! Behüt' euch Gott!
Das ist der Wachtel Gruß.
Es kommt die bittre Wintersnot,
Darum ich scheiden muß;
Der Herr bewahr euch alle fromm,
Bis übers Jahr ich wiederkomm'!
159. Des Zeisigs Begräbnis.
Von Rudolf Baumbach.
1. Der Zeisig saß auf dem Tannen¬
zweig
Und sang gar lustige Lieder;
Da kam der Sperber herbei sogleich
Und stach ihn meuchlings nieder.
Der Zeisig ward vom Blute so rot,
Er fiel auf die Erde, war mausetot.
2. Frau Eule hatte zugeschaut
Aus ihrer finstern Kammer,
Frau Eule heulte und schluchzte laut
Vor übergroßem Jammer.
Da kamen, gelockt durch das Wehgeschrei,
Von allen Enden die Tiere herbei.
3. Sie huben schrecklich zu weinen an,
Zu weinen, winseln und klagen,
Dieweil den Zeisig, den braven Mann,
Der böse Sperber erschlagen.
„Was hilft das Weinen? so rief der
Rab',
Jetzt sch afft dem Zeisig ein ehrlichGrab!"
4. Der Maulwurf sprach: „Ich mache
zurecht
Das Grab, darin er ruhe."
„Ich zimmere," sprach der Meister
„Ihm eine Totentruhe." sSpecht,
Und auch die Spinne war gleich bereit,
Zu weben ein Bahrtuch, lang und breit.
5. Das Eichhorn sprach: „Ihr wißt,
ich bin
Geschickt im Beißen und Nagen,
Aus Nüssen und Eicheln stell' ich hin
Dem Zeisig den Leichenwagen."
Sie machten sich an die Arbeit gleich,
Frau Eule wachte bei der Leich'.
6. Und als der Abend gekommen war
Mit Stille und mit Frieden,
Da lag der Zeisig auf der Bahr',
Bedeckt mit Blättern und Blüten;
Heupferde thäten den Wagen ziehn,
Das eine war gelb, das andere grün.
7. Als nun der Zug in Bewegung war,
Viel Weinen gab's und Klagen,
Da kam der Johanneswürmchen Schar,
Die thäten Fackeln tragen.
Die Glockenblumen weit und breit
Besorgten ein schönes Grabgeläut.
8. Es sang am Grabe mit lautem
Schall
Dem armen Zeisig zu Ehren
Ein Trauerlied die Nachtigall;
Nichts Schöneres konnte man hören.
Dann sprach die Krähe mit Geschnarr
Die Leichenrede als Herr Pfarr.