Full text: Auswahl deutscher Gedichte für höhere Mädchenschulen

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Kinkel. Kletke. Klopstock. 
Johann Gottfried Kinkel. 
79. Ein geistlich Abendlied. 
Es ist so still geworden, 
Verrauscht des Abends Wehn; 
Nun hört man aller Orten 
Der Engel Füße gehn. 
Rings in die Thäte senket 
Sich Finsternis mit Macht — 
Wirf ab, Herz, was dich kränket, 
Und was dir bange macht! 
Es ruht die Welt im Schweigen, 
Ihr Tosen ist vorbei, 
Stumm ihrer Freude Reigen 
Und stumm ihr Schmerzenschrei. 
Hat Rosen sie geschenket, 
Hat Dornen sie gebracht — 
Wirf ab, Herz, was dich kränket, 
Und was dir bange macht! 
Und hast du heut' gefehlet, 
O schaue nicht zurück; 
Empfinde dich beseelet 
Von freier Gnade Glück! 
Auch des Verirrten denket 
Der Hirt auf hoher Wacht — 
Wirf ab, Herz, was dich kränket, 
Und was dir bange macht! 
Nun stehn im Himmelskreise 
Die Stern' in Majestät; 
In gleichem, festem Gleise 
Der goldne Wagen geht. 
Und gleich den Sternen lenket 
Er deinen Weg durch Nacht — 
Wirf ab, Herz, was dich kränket, 
Und was dir bange macht! 
Gustav Hermann Kletke. 
80. Zur Nacht. 
Verrauscht ist das Getümmel, 
Die stille Nacht bricht an; 
Der Mond am hohen Himmel 
Geht schweigend seine Bahn. 
Ich falte froh die Hände, 
Ich weiß, du wachst bei mir; 
Mein Gott und Vater, wende 
Dein Antlitz nie von mir! 
Du blickst durchs Sterngefunkel 
Hier in mein Kämmerlein; 
Zu tief ist dir kein Dunkel, 
Du leuchtest doch hinein. 
Dein Blick voll Liebe scheinet 
Auf uns mit Trost und Ruh, 
Und wo ein Auge weinet, 
Drückst du es leise zu. 
Friedrich Gottlieb klopstock. 
81. Unsere Sprache. 
(1767?) 
Daß keine, welche lebt, mit Deutschlands Sprache sich 
In den zu kühnen Wettstreit wage! 
Sie ist, damit ich's kurz, mit ihrer Kraft es sage, 
An mannigfalter Uranlage
	        
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