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B. Beschreibende Prosa. VII. Geographische Bilder.
von Pferden und Mauleseln, welche den Hintergrund des Gemäldes bil¬
den, die Bewegung, Unordnung und Verwirrung an allen Enden, die
Wirbelsäulen des Rauchs, das Schießen der Flammen, das Knarren und
Krachen der verbrennenden Rohre — dies Alles bildet ein Schauspiel,
welches mit Worten schwer zu schildern und, wenn es in der Nacht sich
dem Auge darbietet, wahrhaft ergreifend ist.
Wird während der Ernte selber in einer Pflanzung Feuer bemerkt,
so sucht man in aller Eile einen Theil des Rohres einzusammeln, um
dem Weitergreifen des Feuers Einhalt zu thun. Nichts gleicht der Schnellig¬
keit und Geschicklichkeit, die man in solchen Augenblicken an den Tag legt.
Bricht es nach der Ernte in dem Gestrüppwerk aus und verbreitet es sich
mit Heftigkeit, so macht man schnell am Ende des Feldes einen Haufen
von trockenen Blättern und Gräsern; es ist das kürzeste Mittel, die Fort¬
setzung des Brandes zu hemmen, wenn man die Feuerströme auf diesen
Haufen brennbarer Stoffe sich zusammenstürzen und so ihre Richtung
gänzlich ändern läßt. Die freien Zwischenräume, die sich zwischen den
Feldern befinden, bilden manchmal eine heilsame Schranke gegen die
Fortschritte des Brandes; allein die Dürre des Rasens, der dieselben
bedeckt, ist von der Art, daß es aller erdenklichen Maßregeln bedarf, um
zu hindern, daß dieser Boden sich nicht selber entzünde. — So vernichtet
das Feuer häufig die schönsten Hoffnungen, die man auf eine gesegnete
Ernte baute.
VII. geographische Jilder^
103. Der See Genezareth.
Von Ferdinand Bäßler. Das heilige Land und die angrenzenden Landschaften.
Merseburg, 1847.
Dieser freundliche Landsee, welcher auch der Galiläische oder der See
von Liberias genannt wird, ist drei Meilen lang und etwa anderthalb
Meilen breit. Er bildet eine der anmuthigsten Gegenden des heiligen
Landes. Der runde Spiegel seines dunkelblauen Gewäffers blickt klar und
glänzend zwischen den Bergen hervor; darum nennt ihn der bildersinnige
Morgenländer das Auge der Gegend. Im Süden wie im Norden be¬
grenzen ihn fruchtbare Ebenen; im Osten und Westen dagegen umschließen
ihn Hügel und Berge von schönen Formen. Aus ihren steilen, maleri¬
schen Schluchten treten rasche Bäche hervor und ergießen sich in das Becken
des „Meeres von Galiläa." Zuweilen bringen jäh aus diesen Bergen
hervorbrechende Zugwinde und Windwirbel das friedliche Gewässer mit der
Gewalt des Schweizerischen Föns in wilden Aufruhr, der aber gewöhnlich
sehr bald zur früheren Stille sich besänftigt. Der Reichthum des Galiläi-
schen Sees an trefflichen Fischen ist sehr groß, sein Wasser rein, kühl und
süß, sein Grund und Ufer sandig. Klima und Erdreich der umliegenden
Landschaft begünstigen die Pflege der trefflichsten Südfrüchte, der Datteln,
Citronen, Pomeranzen, der Trauben und Melonen, wie den Anbau des
Getreides und des Indigo; und bei größerer Betriebsamkeit der Menschen