Full text: (Für Quinta) (Abth. 2, [Schülerband])

212 
A. Epische Poesie. II. Erzählungen, Balladen, Romanzen. 
II. Lrzählungen, Aallaben, Komanzen. 
1. Stoffe aus dem Menschenleben im Allgemeinen. 
133. Eintracht. 
Von Christian Fürchtegott Ge'llert. Fabeln und Erzählungen. Leipzig, 1748. 
Ein Vater schied von seinen Söhnen; 
Doch eh' er schied, sucht' er durch ein Symbol 
Zur Eintracht ihre Herzen zu gewöhnen. 
„Ich scheide," sprach er, „Söhne, lebet wohl! 
Jedoch zuvor zerbrecht mir diese Pfeile, 
Gebunden, wie sie sind!" In größter Eile 
Will jeder den Befehl vollziehn, 
Jedoch umsonst ist ihr Bemühn. 
Der Vater löst hierauf das Band, . 
10 Giebt jedem einen Pfeil besonders in die Hand. 
„Zerbrecht mir den!" spricht er mit trüben Blicken, 
Und schnell war jeder Pfeil in Stücken. 
„Merkt, Söhne," rief er, „ am zerbrochenen Geschoß: 
Die Eintracht nur macht stark und groß, 
Die Zwietracht stürzet Alles 'nieder. 
Lebt wohl und liebt euch stets als Brüder!" 
134. Von des Kaisers Bart. 
Von Emanuel von Geibel- Gedichte. Berlin, 1855. 
1. Am Schank zur goldnen Traube, 
Da saßen im Monat Mai 
In blühender Rosenlaube 
Guter Gesellen drei. 
2. Ein frischer. Bursch war jeder, 
Der erst' am Gurt das Horn, 
Der zweit' am Hut die Feder, 
Der dritte mit Koller und Sporn. 
3. Es trug in funkelnden Kannen 
Der Wirth den Wein auf den Tisch; 
Lustige Reden sie spannen 
Und sangen und tranken frisch. 
4. Da war auch einer drunter, 
Der grüne Jägersmann, 
Vom Kaiser Rothbart munter 
Zu sprechen hub er an: 
5. „Ich habe den Herrn gesehen 
Am Nebengestade des Rheins, 
Zur Messe wollt' er gehen 
Wohl in den Dom nach Mainz. 
6. Das war ein Bild, der Alte, 
Fürwahr von Kaiserart! 
Bis auf die Brust ihm wallte 
Der lange braune Bart." 
7. Ins Wort fiel ihm der zweite, 
Der mit dem Federhut: 
„Ei, Freund, bist du gescheite? 
Dein Märlein ist nicht gut. 
8. Auch ich hab' ihn gesehen 
Auf seiner Burg im Harz, 
Am Söller thät er stehen, 
Sein Bart, sein Bart war schwarz!" 
9. Da fuhr vom Sitz der dritte, 
DerMann mit Koller und Sporn, 
Und in der Zänker Mitte 
Rief er in Hellem Zorn: 
10. „So geht mir doch zur Höllen, 
Ihr Lügner! Glück zur Reis'!" 
Ich sah den Kaiser zu Köllen, 
Sein Bart war weiß, war weiß!"
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.