Full text: [Teil 1, [Schülerband]] (Teil 1, [Schülerband])

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Fichten, wie Pyramiden, von unten bis hinauf zu ihrem Wipfel 
mit den schönsten Schneekristallen bedeckt, gleich Christbäumen 
flimmernd im Glanze der Sonne. Bald hatten wir den Wald mit 
seiner feierlichen Stille hinter uns und nun breitete sich wieder ein 
weites Tal vor uns aus, dessen winterliche Schönheit uns alle ent¬ 
zückte. Unten, wo der Schienenweg sich zeigte mit seinem ein¬ 
samen Wärterhäuschen und der Fluß eine sanfte Biegung machte, 
wallten dampfende Nebel und im nahen Dorf, wo die strohbedeckten 
Hütten mit ihrer silberglänzenden Schneelage zu uns herüber¬ 
leuchteten, wirbelte kerzengerade der Rauch aus den dunklen Schorn¬ 
steinen empor, ein Zeichen, daß der Mittag nahe. Auch wir hatten 
unser Ziel erreicht und fuhren unter Peitschenknall und Schellen¬ 
geklingel vor Tante Marthas Wohnung. Daß nun Freuden- und 
Bewillkommnungsruse, freundschaftliches Händeschütteln und zärt¬ 
liche Umarmungen folgten, kannst Du Dir vorstellen. Wir waren 
erwartet worden, da Onkel Heinrich ohne unser Wissen der Tante 
Nachricht von dem beabsichtigten Ausflug gegeben hatte. Um aus¬ 
zuruhen von ihren: Dauerlaufe und um sich an Heu und Hafer zu 
stärken wurden die Pferde in den Stall geführt; wir aber eilten ins 
wanne, behagliche Zimmer, wo uns bic Tante vortrefflich bewir¬ 
tete. Unter heiteren Gesprächen, die sich besonders auf Familien¬ 
angelegenheiten bezogen, verflossen die gemüterquickenden Stunden, 
bis der nahende Sonnenuntergang uns zur Heimkehr mahnte. 
Beim Einsteigen sorgte die gute Tante dafür, daß wir uns ge¬ 
hörig einhüllten und vermummten, da uns der Abendwind ziemlich 
scharf anblies. Nachdem wir herzlich Abschied genommen, ging's 
im eilenden Laufe, fast so schnell wie mit dem Bahnzug, denselben 
Weg zurück, den wir gekommen. Tic Rosse bedurften keiner an¬ 
treibenden Peitsche; denn sie schienen zu wissen, daß sie mit jedem 
Schritte der heimischen Krippe sich näherten. Als wir an dem 
großen Herrenteiche vorüberfuhren, da herrschte auf der spiegel¬ 
blanken Eisfläche fröhliches Leben; inuntere Knaben und Jüng¬ 
linge tummelten sich wacker in: Schlittschuhlauf und man sah es 
an ihren geröteten Wangen, wie gesund die Bewegung in frischer 
Luft ist. Bald bot sich uns ein anderes, nicht weniger anziehendes 
Schauspiel dar. An einem sanft abfallenden Hügel hatten sich 
kleinere Knaben und Mädchen eine Schneebahn zurechtgemacht; da 
sahen wir denn. wie sie in ihren kleinen Schlitten pfeilschnell herab¬ 
fuhren, und hörten, wie sie, zum Ausweichen mahnend, den müßig 
stehenden, fröhlich plaudernden Zuschauern immer wieder zuriefen: 
„Bahn frei!" Während wir dem munteren Treiben unsere Auf¬ 
merksamkeit widmeten, schleuderte plöblich unser Schlitten und par¬ 
dauz! fiel die ganze Gesellschaft entsetzlich schreiend heraus, auf und 
in den weichen Schnee. Glücklicherweise wurden die erschreckten 
Pferde sogleich zum Stehen gebracht, und als wir sahen, daß keins
	        
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