Full text: Prosa für Präparandenanstalten (Teil 1, [Schülerband])

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Als der Reiche dies gehört hatte, liels er den Kopf auf die 
Brust sinken und begann bitterlich zu weinen. Aber Petrus stand 
hinter seinem Stuhle und zählte heimlich seine Tränen, und als 
er sah, dasls es so viele waren, dass ihm der liebe Gott gewils ver- 
zeihen würde, sprach er: „Komm, ich will dir einmal etwas s 
recht Schönes zeigen! Oben auf dem Boden weils ich ein Ast- 
loch in der Vand; da kann man ein wenig in den Himmel 
hineinsehen.“ Damit führte er ihn die Bodentreppe hinauf und 
durch allernand Gerümpel bis zu einer Kleinen Kammer. Als sie 
in diese eintraten, fiel durch das Astloch ein goldener Strahl 10 
hindurch dem heiligen Petrus gerade auf die Stirn, so dals es 
aussah, als wenn Feuerflammen auf ihr brennten. „Das ist vom 
wirklichen Himmel!“ sagte der reiche Mann zitternd. „Ja,“ er- 
widerte Petrus, „nun sieh einmal durchl“ Aber das Astloch war 
etwas hoch oben an der VWand und der reiche Mann nicht sehr 1 
gross, so dass er kaum hinaufreichte. „Du mulst dich recht lang 
machen und ganz hoch auf die Zehen stellen,“ sagte Petrus. Da 
strengte sich der Reiche so sehr an, wie er nur irgend konnte, 
und als er endlich dureh das Astloch hindurchblickte, sah er wirk- 
lich in den Himmel hinein. Da sals der liebe Gott auf seinem 20 
goldnen Thron zwischen den Wolken und den Sternen in seiner 
ganzen Pracht und Herrlichkeit und um ihn her alle Engel und 
Heiligen. Ach,“ rief er aus, „das ist ja so wunderbar schön und 
herrlich, wie man es sich auf der Erde gar nicht vorstellen kann. 
Aber sage, wer ist denn das, der dem lieben Gott zu Fülsen sitzt 25 
und mir gerade den Rücken zukehrt?“ „Das ist der arme Mann, 
der auf der Erde neben dir gewohnt hat und mit dem du zusammen 
heraufgekommen bist. Als ich euch auftrug, euch auszudenken, 
wie ihr es in der Ewigkeit haben wolltet, hat er sich blols ein 
Fussbänkchen gewũnscht, damit er sich dem lieben Gott zu Fülsen 30 
setzen könne. Und das hat er auch bekommen, genau so wie du 
dein Schloss.“ — 
Als er dies gesagt hatte, ging er still fort, ohne dals es der 
Reiche merkte. Denn der stand immer noch ganz still auf den 
Fussspitzen und blickte in den Himmel hinein und konnte sich 35 
nicht satt sehen. Zwar fiel es ihm recht schwer, denn das Loch 
war sehr hoch oben, und er mulste fortwährend auf den Zehen 
stehen; aber er tat es gern, denn es war zu schön, was er sah. 
Und nach abermals tausend Jahren kam Petrus zum letzten- 
mal. Da stand der reiche Mann immer noch in der Bodenkammer «— 
Girardet-Puls-Reling, Deutsches Lesebuch. Teil J. 
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