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ertränken. Indem aber die Maus sich wehret und arbeitet, fliegt eine Weihe daher
und erhascht die Maus, zieht den Frosch mit heraus und frißt sie beide.
Lehre: Siehe dich vor, mit wem du handelst. Die Welt ist falsch und voller
Untreue; denn welcher Freund den anderen übermag, der steckt ihn in den Sack.
Doch schlägt Untreue allezeit ihren eignen Herrn, wie dem Frosch hier geschieht.
4. Neid.
Vom Hunde und vom Schafe.
Der Hund sprach ein Schaf vor Gericht an um Brot, das er ihm geliehen
hätte, da aber das Schaf leugnete, berief sich der Hund auf Zeugen, die mußte man
zulassen. Der erste Zeuge war der Wolf, der sprach: „Ich weiß, daß der Hund
dem Schaf Brot geliehen hat". Der Weih sprach: „Ich bin dabei gewesen". Der
Geier sprach zum Schafe: „Wie kannst du so unverschämt leugnen?" Also verlor
das Schaf seine Sache und mußte mit Schaden zur unrichtigen Zeit seine Wolle
angreifen, damit es das Brot bezahle, das es nicht schuldig war.
Lehre: Hüte dich vor bösen Nachbarn, oder schicke dich in Geduld, willst du
bei Leuten wohnen. Denn es gönnet niemand dem andern etwas Gutes. Das ist
der Welt Lauf.
3. Geiz.
Vom Hunde im Wasser.
Es lief ein Hund durch einen Wasserstrom und hatte ein Stück Fleisch im
Maule. Als er aber den Schemen des Fleisches im Wasser siehet, wähnet er, das
wäre auch Fleisch, und schnappet gierig danach. Da er aber das Maul auftat,
entfiel ihm das Stück Fleisch, und das Wasser führte es weg. Also verlor er beide:
das Fleisch und den Schemen.
Lehre: Man soll sich begnügen mit dem, was Gott gibt. Wer das wenige
verschmähet, dem wird das Größere nicht. Wer zuviel haben will, der behält zuletzt
nichts. Mancher verliert das Gewisse über dem Ungewissen.
6. Von der Stadt- und Feldmaus.
Eine Stadtmaus ging spazieren und kam zu einer Feldmaus; die tat ihr gütlich
mit Eicheln, Gerste, Nüssen, und womit sie sonst konnte. Aber die Stadtmaus sprach:
„Du bist eine arme Maus. Was willst du hier in Armut leben? Komm' mit mir,
ich will dir und mir genug schaffen von allerlei köstlicher Speise". Die Feldmaus
zog mit ihr hin in ein herrliches, schönes Haus, wo die Stadtmaus wohnte. Und
sie gingen in die Kemenate, da waren vollauf Fleisch, Speck, Würste, Brot, Käse und
alles. Da sprach die Stadtmaus: „Nun iß und sei guter Dinge. Solcher Speise
habe ich täglich überflüssig". Indes kommt der Kellner und rumpelt mit den
Schlüsseln an der Tür. Die Mäuse erschraken und liefen davon. Die Stadtmaus
fand bald ihr Loch; aber die Feldmaus wußte nirgends hin, lief die Wand auf
und ab und hatte sich ihres Lebens erwogen. Da der Kellner wieder hinaus war,
sprach die Stadtmaus: „Es hat nun keine Not, laß uns guter Dinge sein". Die