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178. Der Herr kennet die Seinen. (1843.)
Bon Ph. Lpitia.
Psalter und Harfe. Bremen 1880. Bd. II, S. 75.
1. Es kennt der Herr die Seinen
s Und hat sie stets gekannt,
Die Großen und die Kleinen
In jedem Volk und Land.
Er läßt sie nicht verderben,
Er führt sie auS und ein;
io Im Leben und im Sterben
Sind sie und bleiben fein.
2. Er kennet feine Scharen
Am Glauben, der nicht schaut
Und doch dem Unsichtbaren,
ui Als sah' er ihn, vertraut;
Der aus dem Wort gezeuget,
Und durch das Wort sich nährt,
Und vor dem Wort sich beuget,
Und mit dem Wort sich wehrt.
*o 3. Er kennt sie als die Seinen
An ihrer Hoffnung Mut,
Die fröhlich auf dem einen,
Daß er der Herr ist, ruht;
In seiner Wahrheit Glanze
55 Sich sonnet frei und kühn
Die wunderbare Pflanze,
Die iulmerdar ist grün.
4. Er kennt sie an der Liebe,
Die seiner Liebe Frucht,
Und die mit lauterm Triebe
Ihm zu gefallen sucht;
Die andern so begegnet,
Wie er das Herz bewegt;
Die segnet, wie er segnet,
Und trägt, wie er sie trägt.
5. So kennt der Herr die Seinen,
Wie er sie stets gekannt,
Die Großen und die Kleinen
In jedem Volk und Land;
Am Werk der Gnadentriebe
Durch seines Geistes Stärk',
An Glauben, Hoffnung, Liebe,
Als seiner Gnade Werk.
6. So hilf uns, Herr, zum Glauben
Und halt uns fest dabei;
Laß nichts die Hoffnung rauben;
Die Liebe herzlich sei.
Und wird der Tag erscheinen,
Da dich die Welt wird sehn,
So laß uns als die Deinen
Zu deiner Rechten stehn.
179. Die Buche.
Von H. Masius.
30 Naturstudim. Skizzen. Leipzig IS80. Bd. I, E. 40.
Neben der Eiche gebührt der Buche der Preis unter unseren Waldbäumesl-
Sie liebt sanftgehobene Flächen und tritt gern von den Höhen des Gebirges auf W*
sonnigen Hügelzüge am Fuße herab. In den Tälern Thüringens und des Harzes
auf Rügen, in den holsteinischen Marschen herrscht dieser Baum; aber nirgend
»5 vielleicht steht dieser Baum in üppigerer Pracht, als an den blauen Buchten voll
Kopenhagen. .,
Unter allen Bäumen ist er der geselligste, er schießt seine Wurzeln nicht tm
ins Erdreich, er muß sie mit seinen Schwesterbäumen kreuzen. So mit verschlungen^
Wurzeln und Wipfeln trotzt ein Buchenwald den Stürmen und dem Sonnenbrand-
io Allein, ohne anderen Schutz, erliegt die Buche bald der Witterung, — vielleicht
das treffendere Sinnbild eines Volkes, das lieber die Eiche zu seinem Wahrzeiche^
wählte, weil sie in trotziger Vereinzelung Sturm und Wetter die Stirn bietet.
Jugendkraft, leicht und doch stolz, wie aus Stahl, steigt der Schaft hinauf. Glat
und dicht umschließt ihn die silbergraue Rinde, von keinem Mose benagt und, ^
io es geschieht, zu dem Sammetgrün desselben freundlich kontrastierend. Fast niei"
man daran die Härte des Holzes zu erkennen, das in der knappen Bekleidung
gleichsam nackt erscheint und in seinen Anschwellungen das Bild eines muskelstrafs^
Armes gibt.
Es ist bedeutsam, daß nach altem deutschen Glauben diesen Baum der Bll»
»nicht berühren durfte. Ast und Zweig treten erst in der Höhe hervor, sie greisem
!