— IV — 
nünftiger Beschränkung und übersichtlicher Anordnung giebt, 
ohne jedoch das Gebiet, innerhalb dessen die Individualität 
des Lehrers sich frei bewegen darf, mehr als nötig einzu¬ 
schränken. 
Der Grundriss von Dietsch war nicht ohne erhebliche 
Mängel, aber anerkannte Vorzüge sicherten ihm eine weite 
Verbreitung; vor vielen Büchern ähnlicher Art zeichneten ihn 
zwei treffliche Eigenschaften aus: die knappe Zusammenfassung, 
in der Hauptsache auch übersichtliche Anordnung des Stoffes 
und die wissenschaftliche Zuverlässigkeit desselben. Mit um¬ 
fassender Gelehrsamkeit ausgerüstet und von stets regem Inter¬ 
esse für die Wissenschaft beseelt verfolgte und übersah Dietsch 
den Gang der wissenschaftlichen Bewegung und wusste von 
den Resultaten der Forschung das bewährte und als probe¬ 
haltig erfundene stets für die Schule zu verwerten. 
Galt es bei der neuen Bearbeitung dem Buche diesen 
Vorzug einer zugleich präcisen und wissenschaftlich gründlichen 
Behandlung zu erhalten, so musste andererseits das Bestreben 
auf Beseitigung der Unvollkommenheiten desselben gerichtet 
sein. Entfernung der durch das Streben nach Gedrungenheit 
und durch Nachahmung des antiken Ausdrucks entstandenen 
stilistischen Härten und Unebenheiten, Vereinfachung und Be¬ 
schränkung des Stoffes, gröfsere Objectivität im geschichtlichen 
Urteil über Personen und Zustände, daneben Berichtigung tat¬ 
sächlicher Irrtümer und vorsichtige Verwertung neu gewonnener 
Forschungsergebnisse: das waren im wesentlichen die Zielpunkte 
für die neue Bearbeitung, die freilich ohne eine vielfach sehr 
eingreifende Umgestaltung des früheren Textes nicht zu er¬ 
reichen waren. Indem ich in dieser Hinsicht auf das Vorwort 
zur dritten Abteilung verweise, beschränke ich mich hier auf 
einige Bemerkungen in Bezug auf den vorliegenden Teil. 
Derselbe hat, scheinbar im Widerspruch mit der auf Be¬ 
schränkung des Stoffes gerichteten Absicht, eine Erweiterung er¬ 
fahren. Mir erschien nämlich die Aufnahme der römischen Kaiser¬ 
zeit in den Rahmen der alten Geschichte unerlässlich. Wenn 
Dietsch die Schlacht bei Actium zur Grenzscheide zwischen 
zwei Weltaltern machte, so tat er einen tiefen und gewaltsamen 
Schnitt mitten in eine eng verkettete Entwickelung. Auch ich 
erblicke wie er in der Person Christi den Mittel- und Wende¬ 
punkt der Weltgeschichte, aber nach dem Leiden und Sterben 
des Heilands mussten noch Jahrhunderte vergehen, ehe die 
Formen des antiken Lebens zerstört und greifbare Gestaltungen 
einer neuen Culturperiode gefunden waren. 
Zwischen zwei grofsen Epochen liegt immer eine Ueber- 
gangszeit, in der das alte im langsamen Kampf mit dem neuen 
untergeht. Man kann solche Zeiten streng genommen weder 
allein zur vorhergehenden noch zur folgenden Epoche rechnen, 
sie gehören eben beiden an und man wird sie unter entgegen-
	            		
gesetzter Perspective und mit verschiedener Auswahl hier wie dort behandeln müssen. So hat die alte Geschichte das Ab¬ sterben der römischen Welt bis zum Sturz des weströmischen Reichs, freilich in der Schule nur sehr summarisch, zu ver¬ folgen, das Aufsteigen des Germanentums und die Entwicke¬ lung der christlichen Kirche eröffnen einleitend die Geschichte des Mittelalters. Abgesehen hiervon sind hinsichtlich der Verteilung des Stoffes bei der einfachen Gliederung der alten Geschichte er¬ hebliche Aenderungen nicht nötig gewesen. Die gesonderte Be¬ handlung der orientalischen Geschichte habe ich beibehalten; dass die Culturentwickelung im Altertum in drei Stufen sich vollzieht, dass die hellenische Cultur nicht plötzlich in die Welt getreten, wie Athene aus dem Haupte des Zeus, sondern durch die orientalische Vorstufe sehr wesentlich bedingt ist, das meine ich wird dem Schüler am besten zur Anschauung gebracht durch die der chronologischen Folge entsprechende Behandlung im Unterricht. Auch fürchte ich nicht, dass bei einem zweijähri¬ gen Cursus für die alte Geschichte der Behandlung der Grie¬ chen und Römer zu viel Zeit entzogen werde, wenn die ersten Wochen des ersten Jahres auf eine gedrängte Darstellung der orientalischen Geschichte verwandt werden. Will der Lehrer gleichwol mit der griechischen Geschichte beginnen und das un¬ entbehrlichste aus der orientalischen bei Gelegenheit der Per¬ serkriege und der Alexanderzüge einschalten, so ist er durch die Einrichtung des Buches daran nicht gehindert. — Die Völker des Orients haben eine dem Gang der Culturentwicke¬ lung mehr entsprechende Gruppierung erhalten, in der Auswahl des Stoffes hatte bereits Dietsch ein verständiges Mafs einge- lialten und von den politischen Ereignissen nur einige der wichtigsten Data, mehr von dem culturgeschichtlichen Material gegeben. In Bezug auf die Geschichte Israels ist vielleicht des Guten noch immer zu viel getan, mit Rücksicht auf ihre Wich¬ tigkeit für die Religionsgeschichte habe ich diese Paragraphen im wesentlichen beibehalten, nur dass gerade hier die Darstel¬ lung ein mehr historisches Gepräge erhalten musste. Tut der Religionslehrer seine Schuldigkeit, so kann dieser Abschnitt im Geschichtsunterricht übergangen, oder nur repetitionsweise behandelt werden. Die Einteilung der griechischen und römischen Geschichte ist bis auf geringere Abänderungen dieselbe geblieben, nur dass innerhalb der einzelnen Perioden verwandte Erscheinungen noch mehr zu übersichtlichen Gruppen zusammengefasst sind; die Aufnahme der Geschichte der Westgriechen in den Rahmen der allgemeinen griechischen Geschichte halte ich für einen wesent¬ lichen Vorteil. Die geographischen und culturgeschichtlichen Abschnitte sind hoffentlich lebendiger geworden, namentlich die letzteren auch mehr iu Zusammenhang mit den politischen
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