A. 3m Vaterland.
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Verwertung seiner Helder und Viehweiden größerer Hlächen bedarf
als im Neckar- und Mainlande oder gar am Rhein, so bringen starke
Schwankungen der Temperatur und späte Rälterückfälle — München
gleicht hierin den nordöstlichsten Provinzen — eine Gefährdung all
jener Kulturen mit sich, die, wie wein, Dbst und hochwertige
Gartengewächse, eine stärkere Verdichtung der ländlichen Bevölke¬
rung zu verursachen pflegen. Darin und in der Urmut an größeren
Drten beruht der auffallendste Unterschied gegenüber dem westlichen
Nachbargebiet. Das Donauland ist ein echtes Bauernland, ja, es
trägt diesen Charakter in höherem Grade als die östlichen Provinzen
Preußens- denn hier fehlen die großen Güter und Herrensitze, die so
bestimmend auf das wirtschaftliche und politische Leben dieser Land¬
schaften eingewirkt haben. Ruf der anderen Leite fehlen aber hier
auch die ganz kleinen Betriebe, die eben nur in einer durch das Klima
besonders begünstigten Gegend gedeihen. Die landwirtschaftlichen und
namentlich die rein bäuerlichen Interessen überwiegen im Donau¬
anteil Deutschlands die aller anderen Kreise der Bevölkerung sehr.
So ist es begreiflich, daß ein gewisses konservatives Wesen, ganz
ähnlich, wie wir es in unseren norddeutschen Landwirtschaftsgebieten
beobachten, in diesem Teile Deutschlands in Geltung steht. Und
es ist überflüssig, noch zu beweisen, daß das vorwiegen bäuerlicher
Wirtschaftsweise in diesem Lande in nicht geringem Grade tatsäch¬
lich in seiner Natur begründet ist.
2. welch tiefgreifender Unterschied gegen dies rauhe Gebiet bietet
sich dagegen dem Wanderer, der über seine Randhöhen in das land¬
schaftlich wie klimatisch gleich bevorzugte Land am Rhein und
seinen beiden großen Nebenflüssen herabsteigt! In dem engen Tale
des Mains, in dem Becken der württembergischen Platten und endlich
in jener ausgedehntesten unter den süddeutschen Tieflandschaften, der
breiten Ebene des sagenumwobenen, völkerumstrittenen Rheins, welche
Hülle von Städten alten Ursprunges, welcher Reichtum an Dörfern!
Wie bedeutsam kann es weiterhin in der nordsüdlichen Unordnung
des langgestreckten Rheintales und der dieses begrenzenden Ge¬
birge erscheinen, daß in jedem vom Strome aus gerechneten 6)uer-
ftrcifen von kaum 30 km Breite alle Urten der landwirtschaftlichen
Nutzung zu finden sind, die unser Vaterland kennt! Vom wein, von
den Pfirsichen und Edelkastanien bis zum k)olzwuchs der dunklen
Tannenwälder alle Erzeugnisse in geringster Entfernung voneinander,
ein Bild, das in etwas größeren Zügen auch im württembergischen
Neckarlande sich wiederholt.
Der hohe wert des Bodens gestattete hier, was im oberdeutschen
Hochlande unmöglich wäre. Dicht nebeneinander vermochte sich selbst
die bäuerliche Bevölkerung hier anzusiedeln, und sie war weiterhin
in der Lage, unter sich wie mit den hier dicht aufeinanderfolgenden
Städten enge Beziehungen zu unterhalten, welche Vorzüge diese enge
Verknüpfung von Stadt und Land für das geistige Leben und die
Regsamkeit auch des Bauernstandes mit sich bringt, liegt auf der