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Stets einmütigen Sinns und umwohnt von gedeihenden Kindern!
Nun mag brechen das Auge, da dich wir gesehen im Amtsrock,
Sohn, und dich ihm vermählt, du ftischaufblühendes Herzblatt!
Armes Kind, wie das ganze Gesicht rot glühet vom Ostwind!
O du Seelengesicht! Denn ich duze dich, weil du es forderst!
Äber die Slud ist warm, und gleich soll der Kaffee bereit sein!“
Ihr um den Nacken die Arme geschmiegt, liebkoste die Tochter:
„Muͤtter, ich duze dich auch, wie die leibliche, die mich geboren;
Älso geschah's in der Bibel, da Herz und Zunge vereint war;
Denn du gebarst und erzogst mir den wackern Sohn Zacharias,
Der an Wuchs und Gemül, wie er sagt, nachartet dem Vater.
Můtterchen, habe mich lieb; ich will auch artiges Kind sein.
Fröhliches Herz und rotes Gesicht, das hab' ich beständig,
Auch wenn der Ost nicht weht. Mein Väterchen sagte mir oftmals,
Klopfend die Wang, ich würde noch krank vor lauter Gesundheit.“
Jetzo sagte der Sohn, sein Weib vorstellend der Mutter:
„Mütterchen, nehmt sie auf Glauben. So zart und schlank, wie
sie dasteht,
Ist sie mit Leib und Seele vom edelsten Kerne der Vorwelt.
Daß sie der Mutter nur nicht das Herz abschwatze des Vaters!
Komm denn und bring als Gabe den zärtlichsten Kuß zum
Geburtstag.“
Schalkhaft lächelte drob und sprach die treffliche Gattin:
„Nchl zut Geburtstagsgabe! Was besseres bring ich im Koffer
Ünserem Vater zur Lust und dem Mütterchen, ohne dein Wissen!“
Sprach's und faßte dem Manne die Hand; die führende Mutter
Offnete leise die Thür und ließ die Kinder hineingehn.
Wer die junge Frau, voll Lieb im lächelnden Anllitz,
Hüpfte voraus und küßte den Greis. Mit verwunderten Augen
Sah er empor und hing in der trautesten Kinder Umarmung. —
Johann Wolfgang von Goethe.
17. Der Fischer.
1778.)
1. Das Wasser rauscht, das Wasser Was lockst du meine Brut
schwoll, Mit Menschenwitz und Menschenlist
Ein Fischer saß daran, Hinauf in Todesglut?
Sah nach dem Angel ruhevoll, üch wüßtest du, wie's Fischlein ist
Kühl bis ans Herz hinan. So wohlig auf dem Grund,
Und wie er sitzt, und wie er lauscht, Du stiegst herunter, wie du bist,
Teilt sich die Flut empor; Und würdest erst gesund.
Aus dem bewegten Wasser rauscht 3. Labt sich die liebe Sonne nicht,
Ein feuchtes Weib hervor. Der Mond sich nicht im Meer?
2. Sie sang zu ihm, sie sprach Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
zu ihm: Nicht doppelt schöner her?