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40. Das treue Roß.
Ich hab’ mein Roß verloren,
mein apfelgraues Roß;
es war so treu im Leben,
kein treueres kann es geben
im ganzen Zug und Troß.
Und als es wollte sterben,
da blickt es mich noch an,
als spräch’s mit seinen Mienen:
kann dir nicht weiter dienen,
ade, mein Reitersmann!
Und als es war gestorben,
da grub ich’s ehrlich ein
wohl unter grünen Matten
in eines Lindenbaums Schatten:
da soll sein Denkmal sein.
Da sitzen die kleinen Vögel
und halten das Totenamt;
ihr braucht nicht erst zu lesen,
wie treu mein Roß gewesen.
Sie singen’s insgesamt.
Hofsmann von Fallersleben.
41. Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes.
Auch gegen Tiere soll der Mensch nicht undankbar sein
wie jener Kaufmann in der alten Stadt Bineta, den sein
Schimmel wegen Undanks verklagte. — Der Schimmel hatte
dem Herrn schon viele Jahre treu gedient und ihm einmal
sogar durch seine Schnelligkeit das Leben gerettet, als er in
einem Walde von Räubern überfallen wurde. Der Kaufmann
tat deshalb ein Gelübde, er wolle den Schimmel niemals ver¬
stoßen und ihn aufs beste verpflegen, so lange er leben werde.
Weil aber der Schimmel auf der Flucht vor den Räubern
sich sehr erhitzt hatte, so ward er bald darauf erst steif und
lahm und endlich auch blind, und der Kaufmann vergaß seiner
Dienste so wie seines eigenen Gelübdes. Erst ließ er das Pferd
bei kärglichem Futter darben, und weil ihm eine Metze Hafer
zu viel schien für ein Pferd, das ihm zu nichts mehr nützte, so
befahl er seinem Knechte, den Schimmel wegzujagen. Der nahm
einen Stock, weil das Pferd nicht weichen wollte, und trieb es