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schickte dann die durchgesehenen Arbeiten nach 14 Tagen an den Rektor
zurück mit einem anerkennenden Schreiben, in dem er bemerkte, daß er
sich wieder von den guten Leistungen und den bedeutenden Fortschritten
der Anstalt überzeugt und sich namentlich über die Arbeiten der ältern
Schüler gefreut habe.“
Es konnte nicht fehlen, daß bei einer so augenfälligen Gunstbe—
zeigung die Anstalt an Umfang und Ausdehnung von Jahr zu Jahr
zunahm. Die Zahl der Schüler stieg auf das Doppelte, Dreifache,
ebenso die Anzahl der einzelnen Unterrichtskurse.
Kaiser Friedrich blieb aber bei diesen sichtbaren Erfolgen, die ihm
das Wachstum der Anstalt bot, nicht stehen. „Nicht für die Schule,
sondern für das Leben lernen wir“, hatte er bei der Jubelfeier zu
Bonn den Studenten zugerufen, und dieser uralten pädagogischen Wahr⸗
heit suchte er auch hier wieder gerecht zu werden. Sollten die Schüler
dereinst auf den Gebieten der Kunst, des Kunstgewerbes und des Kunst—
handwerks etwas Tüchtiges leisten, so mußten sie geeignete Vorbilder
haben, Vorbilder, die nicht aus der Theorie entstanden waren, sondern
solche, die aus der praktischen Wirklichkeit, aus dem Handwerks- und
Gewerbeleben der warm pulsierenden Gegenwart oder aus demjenigen
früherer Gewerbe-Epochen herausgegriffen wurden.
Und diese Vorbilder fanden sich in den reichen Schätzen des Kunst—
gewerbemuseums und zahlreicher andrer Sammlungen. Der Besuch
derselben war für die Schüler bisher aber ein wenig fruchtbringender
gewesen. Planlos, von niemand angeleitet, waren sie bisher in den
herrlichen Räumen von einem Gegenstand zum andern geirrt. Meist
war ihnen aber auch nicht einmal dieses möglich gewesen. Viele Samm—
lungen waren ihnen gänzlich verschlossen, oder die Besichtigung der—
selben war nur zu einer Zeit gestattet, in der es ihnen unmöglich war,
diese Schätze eingehend kennen zu lernen. Da war es wieder des Kron—
prinzen schöpferischer Gedanke, der hier helfend eingriff.
„Die herrlichen Sammlungen“, sagte er, „werden nicht genügend
benutzt, namentlich von denjenigen, die den größten Nutzen daraus
ziehen könnten. Die Kunst ist nicht für wenige Auserkorene da, sondern
um die Masse des Volkes nach jeder Richtung hin zu bilden; darum
muß der Staat Einrichtungen treffen, daß diese Schätze dem ganzen
Volk erschlossen werden. Unter Führung von Lehrern muß dieser Be—
such ein nutzbarer, planmäßiger für sämtliche Fortbildungsanstalten
Berlins werden. Dann, so hoffe ich, wird die Zeit nicht mehr fern
sein, wo Nord und Süd in Deutschland sich zu diesem edeln Wett—
streit innig die Hand reichen und dem Ausland gegenüber erfolg—
reiche Konkurrenz bieten können“. In ähnlicher Weise äußerte er sich
zu den anwesenden Deputationen der Gewerksmeister und bat diese
dringend, ihren Lehrlingen nicht allein die Zeit zum Besuch der Fort—
bildungsschule, sondern auch zum Besuch dieser Sammlungen zu gestatten,