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halt zu Rat früh und spat, so jeder etwas übrig hat! 
115. Der Sparer wird wohlhabend. 
Neulich sagte mir ein lieber Bekannter, ein junger Mann im Anfange 
der dreißiger Jahre: „In diesen Tagen hab' ich's endlich erreicht, das lang— 
ersehnte Ziel, ich habe mir jetzt eine Million erspart, zwar nicht Thaler, auch 
nicht Mark, selbst nicht „Nickel“, aber doch Pfennige, erspart durch viele Mühe, 
durch langjähriges Zurücklegen einzelner Pfennige; aber wie frei fühle ich mich 
nun, wie unabhängig von den Launen mißgünstiger Menschen; nun kann ich von 
den Zinsen meines Kapitals bereits meine Kleidung, Wäsche, Heizung und einen 
zuten Teil meiner Beköstigung bestreiten; nun kann ich auch einen eigenen Herd 
gründen, und eigener Herd ist Goldes wert. 
Die Weise, in welcher ich mir die genannte Summe ersparte, ist 
sehr einfach. 
In meinem 16. Lebensjahre kam ich in die kaufmännische Lehre. Da ich 
meine Schulzeit gut benutzt hatte und manches schon wußte, was andere erst 
lernen mußten, erhielt ich wöchentlich sogleich 4 Mark 50 Pfennige. 
„Hör'“, sagte mein Vater, „bist du tüchtig und sparsam, so brauchst 
du für Kost und Wohnung nichts zu geben, darfst sogar dein Gehalt für dich 
nehmen; wenn nicht, so mußt du es an mich abliefern.“ 
Ich muß sagen: Das war nicht nach meinem Sinn, wohl das, daß ich das Geld 
behalten durfte, nicht aber, daß ich es sparen sollte. Da konnte ich ja nicht dabei 
sein, wenn meine Altersgenossen sich gütlich thaten, die vielen Vergnügungen nicht 
mitmachen, die der aus der Schule Entlassene nun einmal für unerläßlich zu 
halten pflegt. 
Aber! aber! 4 Mk. 50 Pf. jede Woche! Das giebt ja im Jahre 
234 Mk. und immer noch 134 Mk, wenn ich 100 Mk, davon verbrauche, und 
jede 4 Mk. 50 Pf, die ich zur Sparkasse bringe, tragen Zinsen. 
„Ach was, man genießt nur einmal sein Leben; in der Jugend spart 
man nicht. Das kannst du thun, wenn du ein alter Philister bist.“ So lautete 
die Lockstimme eines Kameraden. 
Halb zog sie mich, doch zum Glücke siegte sie nicht. 4 Mk. 50 Pf. jede 
Woche! Ganz leicht 150 Mk. im Jahre! Was kann man damit anfangen! 
Bis jetzt hast du höchstens ein paar Mark gehabt, und nun hängt es von dir 
ab, ob du schon nach einem Jahre ein gewaltiger Kapitalist bist. 
In der That, nach einem Jahre hatte ich 160 Mk. im zweiten konnte 
ich mir einen Staatsschuldschein von 300 Mk. kaufen, und nun war schon mein 
Heimatland, das Königreich Preußen, mein Schuldner. 
Die Lehrzeit war keine leichte. Aber nach zwei Jahren erhöhte mein 
Lehrherr mein Wochengehalt auf sechs Mark; nach vier Jahren hatte ich „aus— 
gelernt“. Nun war ich Gehilfe und erhielt in den zwei ersten Jahren je 840 Mk.
	        
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