Full text: [Teil 1, [Schülerband]] (Teil 1, [Schülerband])

115 
Hause zurückbleibt. Sie Pflegen das Kind während der Arbeit 
hinter die Hecke in den Schatten zu legen; lege dich daneben, 
gleich als wolltest du es bewachen. Ich will dann aus dem 
Walde herauskommen und das Kind rauben; du mußt mir 
eifrig nachspringen, als wolltest du mir es wieder abjagen. 
Ich lasse es fallen, und du bringst es den Eltern wieder zurück; 
die glauben dann, du hättest es gerettet, und sind viel zu 
dankbar, als daß sie dir ein Leid antun sollten; im Gegenteile, 
du kommst in völlige Gnade, und sie werden es dir an nichts 
mehr fehlen lassen." 
Der Anschlag gefiel dem Hunde, und wie er ausgedacht war, 
so ward er auch ausgeführt. Der Vater schrie, als er den Wols 
mit seinem Kinde durchs Feld laufen sah; als es aber der alte 
Sultan zurückbrachte, da war er froh, streichelte ihn und sagte: 
„Dir soll kein Härchen gekrümmt werden, du sollst das Gnaden¬ 
brot essen, solange du lebst." Zu seiner Frau aber sprach er: 
„Geh gleich heim und koche dem alten Sultan einen Weckbrei; 
den braucht er nicht zu beißen, und bring das Kopfkissen aus 
meinem Bette, das schenk' ich ihm zu seinem Lager!" Von 
nun an hatte es der alte Sultan so gut, als er sich's nur 
wünschen konnte. — Bald hernach besuchte ihn der Wolf und 
freute sich, daß alles so wohl gelungen war. „Aber, Gevatter," 
sagte er, „du wirst doch ein Auge zudrücken, wenn ich bei 
Gelegenheit deinem Herrn ein fettes Schaf weghole? Es wird 
einem heutzutage schwer, sich durchzuschlagen." „Darauf rechne 
nicht," antwortete der Hund, „meinem Herrn bleibe ich treu, 
das darf ich nicht zugeben." Der Wols meinte, das wäre nicht 
im Ernste gesprochen, kam in der Nacht herangeschlichen und 
wollte sich das Schaf holen. Aber der Bauer, dem der treue 
Sultan das Vorhaben des Wolfes verraten hatte, paßte ihm 
aus und kämmte ihm mit dem Dreschflegel garstig die Haare. 
Brüder )akob und Wilhelm Grimm. 
W 
8'
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.