Full text: Lehr- und Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

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wenn Sie mir vollends die Liverei neymen, die ich auch noch nicht verdient habe, 
— so wollte ich lieber, Sie hätten mich im Lazarette krepieren lassen. 
v. Tellheim. Wofür siehst du mich an? Du bist mir nichts schuldig, und 
ich will dich einem von meinen Bekannten empfehlen, bei dem du es besser haben 
sollst als bei mir. 
Just. Ich bin Ihnen nichts schuldig, und doch wollen Sie mich verstoßen? 
v. Tellheim. Weil ich dir nichts r werden will. 
Just. Darum? nur darum? — So gewiß ich Ihnen schuldig bin, so ge— 
wiß Sie mir nichts schuldig werden können, so gewiß sollen Sie mich nun nicht 
verstoßen. — Machen Sie was Sie wollen, Herr Major, ich bleibe bei Ihnen; 
ich muß bei Ihnen bleiben. 
v. Tellheim. Und deine Hartnäckigkeit, dein Trotz, dein wildes ungestümes 
Wesen gegen alle, von denen du meinst, daß sie dir nichts zu sagen haben, deine 
tückische Schadenfreude, deine Rachsucht — — 
Just. Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen, ich will darum doch 
nicht schlechter von mir denken, als von meinem Hunde. Vorigen Winter ging 
ich in der Dämmerung an dem Kanale und hörte etwas winseln. Ich stieg 
erab und gi nach der Stimme, und glaubte ein Kind zu retten, und zog einen 
ret aus dem Wasser. Auch gut, dachte ich. Der Pudel kam mir 23 aber 
ich bin kein Liebhaber von Pudeln. Ich jagte ihn fort, umsonst; ich prügelte ihn 
von mir, umsonst. Ich ließ ihn des Nachts nicht in meine Kammer; er blieb 
vor der Thüre auf der Schwelle. Wo er mir zu nahe kam, stieß ich ihn mit dem 
Fuße; er schrie, sah mich an und wedelte mit dem Schwanze. Noch hat er keinen 
Bissen Brot aus meiner Hand bekommen, und doch bin ich der einzige, dem er 
r und der ihn anrühren darf. Er springt vor mir her und macht mir seine 
ünste unbefohlen vor. Es ist ein häßlicher Pudel, aber ein gar zu guter Hund. 
Wenn er es länger treibt, so höre ich endlich auf, den Pudeln gram zu sein, 
v. Tellheim (eiseite). So wie ich ihm! Nein, es giebt keine völlige Un— 
menschen! — — Just, wir bleiben beisammen. 
Just. Ganz gewiß! — Sie wollten sich ohne Bedienten behelfen? Sie 
vergessen Ihrer Blessuren und daß Sie nur eines Armes mächtig sind. Sie 
können sich ja nicht allein ankleiden. Ich bin Ihnen unentbehrlich, und bin — — ohne 
mich selbst zu rühmen, Herr Major — und bin ein Bedienter, der — wenn das 
Schlimmste zum Schlimmen kommt — für seinen Herrn betteln und stehlen kann. 
v. Tellheim. Just, wir bleiben nicht beisammen. 
Just. Schon gut. 
Lessing. 
125. Inschriften für ein Wirtshaus. 
Fröhlich in Ehren soll niemand wehren. — Rede wenig, 
aber wahr, zehre wenig, zahle bar. — Allzuviel ist ungesund. 
— Im Wein und Bier ertrinken mehr als im Wasser. — Es 
trinken tausend sich den Tod, eh einer stirbt in Durstes Not. — 
— Wer trunken ist, ist schuld, nicht der Wein. — Böse Gesellschaften 
verderben gute Sitten. — Aus Scherz kann leicht Ernst werden. — 
Die Karte und die Uanne machen manchen zum armen Manne. — 
Die Karte weg, so gewinnst du — Junge Spieler, alte Bettler. — 
Wer spielt, der stiehlt. — Ein Dieb bricht in die Häuser, ein Spieler 
in die Caschen. — Ein Spiel Karten ist des Teufels Gebetbuch. — 
Im ersten Spiele 3 Mark verloren, ist so gut als 30 Mark ge— 
bonnen. — Spielen ist keine Uunst, aber aufhören. — Ein Caster
	        
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