Meißner in Kurhessen und der Herkules auf der Wilhelmshöhe bei Kassel sind
sichtbar.
Das Volk, welches die Höhen des Harzes bewohnt, gleicht seiner Heimat.
Es ist kräftig und rauh, kühn und thätig, unverdrossen und gutmütig, duldsam
und mit geringem zufrieden, stolz auf seine Berge und nur in ihnen glücklich.
Alles, was im Oberharz lebt und waltet, gehört dem Bergbau an, sei es als
eigentlicher Berg- oder Hüttenmann, oder sei es als Köhler, Holzschläger und
Fuhrknecht. Der Bergbau ist die Seele des Lebens, der Mittelpunkt des Ge—
triebes. Seit tausend Jahren ringt dieses Völkchen mit Lebensgefahr dem Erd—
geiste seine edelsten Schätze ab, um die Paläste reicher Mitbürger zu schmücken.
Die blassen Wangen, die scharfen, starken, kalten Gesichtszüge, die straffen, fett—
losen aber kräftigen Muskelformen erzählen von den Mühseligkeiten seiner arbeits—
bollen und entbehrungsreichen Tage, aber im Auge des Harzers leuchtet das
Gefühl der Freiheit. Freiwillig und mit Lust geht er an die grause Arbeit
seiner Väter, und sein Frohsinn spricht von gesundem Herzen und munterer
Gemütsart.
6. Thüringen und seine Bewohner.
So ziemlich in der Mitte von Deutschland, gleichweit von der Nordsee und
den Alpen entfernt, liegt ein wahrhaft bezauberndes und daher vielfach von
Wanderern besuchtes Stück Gebirgsland, bekannt unter dem Namen des thüringer
Waldes. Auf der neunzehn Meilen langen, von Südosten nach Nordwesten
laufenden Hauptkette führt ein fahrbarer Weg, der sogenannte Rennstieg oder
Grenzweg hin, von dem aus man nach beiden Seiten in die Ebene, nach Franken
und Thüringen, blicken kann. Zugleich bildet das Gebirge die Wasserscheide für
drei Flüsse, für Elbe, Weser und Rhein. Alle kleinen Gebirgswässer und
Flüßchen wenden sich entweder der Werra, der Saale oder dem Main zu.
Längenthäler sind nicht vorhanden; alle Bäche laufen vom Hauptrücken zum
Fluß. Die zahlreichen Uebergänge quer über das 46 Quadratmeilen umfassende
Gebirge bieten keine Schwierigkeiten, und daher ist der thüringer Wald ein
wegsames und reichen Wechsel an Landschaften bietendes, zugleich sehr besuchtes
Gebirge.
Zu den höchsten Erhebungen gehören der fast neunhundert Meter hohe Beer—
berg bei Suhl, der ziemlich gleich hohe Schneekopf, und der am höchsten gelegene
bewohnte Ort Oberhof nicht weit von der Schmücke mit einer Höhe von
818 Meter. Der noch weiter nordwestlich gelegene und wegen seiner hervor—
ragenden Gestalt und der reizenden Aussicht, die er nach allen Seiten gewährt,
bekannte Inselsberg ist nur 811 Meter hoch. Von ihm aus erblickt das Auge
eine prächtige Landschaft mit Städten, Dörfern, Schlössern und Burgen. Dort
glänzt Schloß Friedenstein über der lieblichen Stadt Gotha, und weiterhin taucht
Erfurt mit seinen ehrwürdigen Domtürmen auf. Von Norden blickt die alte,
graue Wartburg aus den grün umlaubten Bergen heraus, und in weiterer Ferne
gewahrt man sogar den Kyffhäuser und den Brocken. Um die nächsten Vor—
berge des Inselsberges her liegen viele der reizendsten Gegenden. Da sieht man
Qloster Reinhardtsbrunn und Schnepfenthal, Ruhla und Liebenstein mit herr—
lichem Bade, Möhra, der Stammort von Luthers Eltern, Eisenach und Schwarzburg.
An herrlichen Aussichten, Naturmerkwürdigkeiten und geschichtlichen Er—
innerungen ist der thüringer Wald reicher, als viele andere Gebirge. Nirgends
ist er unwirtbar, seine Höhen sind mit Holz freundlich bewachsen, ihre Wände
mit malerischen Felsen geziert, und seine Thäler und Wiesengründe sind von