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Kurze Zeit darauf hatte er die Freude, daß die Angelegenheit, die ihm so
ernst am Herzen lag, in nationalem Sinne durchgefochten wurde. Deutsche
Fahnen wehten wieder von den Düppeler Schanzen und am Alsener Strande,
und diesmal verdarben die „Schreiber“, wie der alte Blücher zu sagen pflegte,
nicht, was das deutsche Schwert gut gemacht hatte. Doch im übrigen nahmen
die vaterländischen Hauptfragen eine ganz andere Lösung, als sich diese der
König gedacht und gewünscht hatte. Es sollte einer der härtesten Tage seines
ganzen Lebens kommen. Unter Widerruf des früheren Wortes, klagend und tief
erschüttert, sprach er aus: „Ich habe umsonst gelebt!“ — als er am 14. Juli 1866
aus Aschaffenburg vor den Kriegsstürmen in die Pfalz flüchten mußte. Er
hatte das Geschehene für unmöglich gehalten. Aber ein deutscher Patriot
konnte sich, ob freudig, ob nur den Umständen sich fügend, den Folgerungen
aus den Thatsachen nicht entziehen, wenn er überhaupt für Größe und Wohl—
fahrt seines Vaterlandes ein offenes Herz hatte. Auch Ludwig fühlte dies und
wollte treu an dem Schutz- und Trutzbündnis mit Preußen festgehalten wissen.
Leider erlebte der König die glorreiche Zeit nicht mehr, welche die volle Ent—
scheidung der deutschen Frage brachte! — Hätte er darin nicht die Erfüllung
seiner höchsten Wünsche erblicken müssen? Wie wäre es anders möglich gewesen,
als daß dieser Fürst 1870 nicht bloß die ruhmvollen Erfolge der deutschen
Waffen freudig begrüßt, sondern auch die von Bayern geforderten Opfer gut—
geheißen hätte, zumal durch dieselben so Herrliches erreicht wurde, die Gründung
eines neuen Reiches, das mit voller Schonung der berechtigten Sonderinteressen
ein einheitlicher, lebendiger Organismus ist, dem Deutschen ein Vaterhaus, für
den Nachbar eine Schutz- und Trutzburg. Als die süddeutschen Heere 1814
zum erstenmale vereint mit den preußischen Waffenbrüdern über den Rhein
zogen, da sproßte aus dem Schaft des Speeres, den das „deutsche Volk in
Waffen“ in Frankreichs Erde stieß, ein köstliches Reis hervor: die deutsche Ehre!
Und als der nationale Zug der Kriegsgenossen gegen Westen zum zweitenmale
geschah, weil Frankreich abermals beutegierig die Hände wider Deutschland aus—
streckte, da war Dank dem vaterländischen Rechts- und Selbstgefühl das Reis
zum mächtigen Baum erstarkt, unter dessen Schutze jetzt alle deutschen Stämme
sicher ruhen! So oft und lange man von Entstehung, Wachstum und Blüte
dieses Baumes sprechen wird, vergißt man sicher auch des deutschen Königs
Ludwig J. nicht. m————
Den zweiten Glanzpunkt in der Regierung dieses geistvollen Monarchen
bildet die Kunst, für welche er ein ungewöhnlich geläutertes Verständnis hatte.
Vieles geschah von dessen Vorfahren in Bayern und Pfalz für die schönen
Künste seit ihrer Wiedererwachung im 16. Jahrhundert. Die Hauptstadt
Bayerns besitzt aus früherer Zeit viele Kunstschätze. Doch alle Fürsten von
Bayern und Pfalz zusammen haben dafür nicht gethan, was König Ludwig J.
in etwa sechzig Jahren geschaffen. Durch ihn wurde München die eigentliche
Kunststadt Deutschlands. Kein Deutscher und kein Ausländer, der für die
schönen Künste Sinn und Liebe und die nötigen Mittel, sie zu befriedigen, hat,
läßt München unbesucht. Alle Kunstschöpfungen Ludwigs entstanden nach seinen
eigenen, wohlberechtigten Ideen. Dies wird vorzüglich an seinen vielen groß—
artigen Bauten und Denkmälern klar, zu deren Verherrlichung sich in der Regel
die drei Geschwister, die Bau-⸗, Maler- und Bildhauerkunst, vereinigten. Zum
größten Teile entstanden die Werke auf eigene Kosten des Königs; nach den
genau geführten Kassa-Journalen wurde dafür aus dem Kabinettsfonds eine
Gesamtsumme von 17890000 Gulden verausgabt. Es ist keine leere