Full text: [Teil 1, [Schülerband]] (Teil 1, [Schülerband])

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Da kam mir just ein Jud' in die Quer, 
ringsher war's suill und menschenleer: 
Du hilfst mir, Hund, aus meiner Not; 
den Beutel her, sonst schlag' ich dich tot! 
Die Sonne bringt's nicht an den Tag. 
Und er: Vergieße nicht mein Blut, 
acht Pfennige sind mein ganzes Gut! 
Ich glaubt' ihm nicht und fiel ihn an; 
er war ein alter, schwacher Mann. — 
Die Sonne bringt's nicht an den Tag. 
So rücklings lag er blutend da; 
sein brechendes Aug' in die Sonne sah; 
noch hob er zuckend die Hand empor, 
noch schrie er röchelnd mir ins Ohr: 
Die Sonne bringt's an den Tag 
Ich macht ihn schnell noch vollends stumm 
und kehrt' ihm die Taschen um und um; — 
acht Pfenn'ge das war das ganze Geld. 
Ich scharrt' ihn ein auf selbigem Feld. — 
Die Sonne bringt's nicht an den Tag 
Dann zog ich weit und weiter hinaus, 
kam hier ins Land, bin jetzt zu Haus. — 
Du weißt nun meine Heimlichkeit, 
so halte den Mund und sei gescheid! 
Die Sonne bringt's nicht an den Tag. 
Wann aber sie so flimmernd scheint, 
ich merk' es wohl, was sie da meint, 
wie sie sich müht und sich erbost; — 
du, schau nicht hin, und sei getrost! 
Sie bringt es doch nicht an den Tag. 
So hatte die Sonn' eine Zunge nun, 
der Frauen Zungen ja nimmer ruhn. — 
„Gevatterin, um Jesus Christ, 
laßt Euch nicht merkon, was ihr nun wißt!“ 
Nun bringt's die Sonne an den Tag. 
Die Raben ziehen krächzend zumal 
nach dem Hochgericht, zu halten ihr Mahl. 
Wen flechten sie aufs Rad zur Stund? 
Was hat er gethan? Wie ward es kund? 
Die Sonne bracht es an den Tag. 
4. Eine Seerüubergeschichle. 
Erzählung des alten Steuermannes. 
Emanuel v. Geibel. 
Wir hatten Ol geladen und Korinthen die höchstens Sonntags mal im Lauer Holz 
und segelten vergnügt mit unsrer Fracht mit Schrot geknallt, und drüben an die vierzig 
von Malta auf Gibraltar, Jochen Schütt, verwegenes Raubvolk, insgesamt auf Mord 
der lüb'sche Kapitän, mit 5 Matrosen und Totschlag eingeübt, wie wir aufs Kegeln. 
und ich, Hans Kiekebusch, als Steuermann Mit einer einz'gen Salve hätten sie 
Der Wind blies lustig, und wir waren schon uns weggefegt; drum hieß uns Jochen Schütt 
Sardinien vorbei, als hinter uns geruhig bleiben und ihn machen lassen; 
nordosther ein verdächtig Segel aufkam, ein Stückchen, meint' er, hab' er ausgedacht, 
das mit Siebenmeilenstiefeln lief. das uns vielleicht noch aus der Tinte hilfe; 
Bedenklich guckte Jochen Schütt durchs Glas zwar spiel' er auf Va banque damit, indes 
und schüttelte den Kopf und guckte wieder, am Ende sei'n wir Christenmenschen doch, 
und immer länger ward sein schlau Gesicht. und Gott im Himmel könn' ein Einseh'n haben. 
„Verdammte Suppe!“ brach er endlich los, So brümmelnd stieg er zur Kajüt hinab 
„der Haifisch soll mich schlucken, wenn das nicht und nahm die andern mit, nur mir befahl er 
Tuneser sind, Spitzbuben die's auf. uns auf Deck zu bleiben und dem leidigen 
und unsern schmucken Schoner abgesehen! Besuch, als käm' er auf ein Frühstück blos, 
Bei Gott, jetzt heißt es: Alles Weißzeug los, mit Höflichkeit zu ihm den Weg zu weisen. 
und stramm gesegelt!“ Mir schlug das Herz bis an den Hals, als nun 
Leider war's zu spät. mit jeglicher Minute der Korsar 
Ein Viertelstündchen noch, da wußten wir, uns näher rückte. Bald erkannt' ich schon 
daß Flucht unmöglich. Gleich darauf auch ließ die Fuchsgesichter mit den Rattenzöpfen, 
das Kaperschiff die rote Flagge schon das Negervolk, das in den Tauen hing. 
vom Topmast fliegen, und ein Schuß befahl Jetzt sah ich, wie solch rotbekappter Schuft 
uns beizulegen. An Verteidigung den Enterhaken hob, jetzt machten's ihm 
war nicht zu denken: Sieben waren wir, zehn andre nach und jetzt — ein einz'ger Schlag,
	        
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