— —9 0 —
Götterbild schön? ein Bild, in welchem uns wenigstens das Wesen Gottes
in die ungefüge Roheit sinnlicher Natur gebannt erscheint? Dem Ägypter
jedoch waren diese Götterbilder sicherlich Ideale der Schönheit. Nun stelle
man das Schönheitsideal der Griechen daneben in ihren Göttern und Gbttinnen.
a hat in der Tat der Geist die Materie in vollkommener Weise durchdrungen,
und allen erkennbar ist hier freie Anmut, dort edle Würde, dort ergreifende
Exhabenheit unübertrefflich in Marmor ausgeprägt.
Offenbar ist das Ideal, da es eine Individualisierung der Idee ist,
auch eine Beschränkung der Idee; es entspricht nirgends und niemals in
der Idee, erschöpft deren Inhalt nicht; denn diese hat unendlichen Inhalt
nd erscheint in jedem Ideal immer nur einseitig und teilweise gestaltet. Die
estaltung der Ideen zu Idealen geht aber auch vor sich gleichzeitig mit der
Entfaltung des Seelenlebens überhaupt, besonders mit der Entwicklung des
Verstandes und der Phantasie, und zwar, wie aus dem vorigen schon deutlich
eworden sein wird, unter dem Einfluß von Zeitalter, Volksleben, Erziehung,
ja selbst von Klima und Bodenbeschaffenheit.
Auch das Verhalten der Menschen zu den Ideen und ihren Idealen ist
eineswegs gleichartig, es kann verschiedene Zwecke verfolgen und daher auch
verschiedene Ergebnisse haben. Man kann sich mit den Ideen und der Welt
der Ideale beschäftigen, um über ihr Wesen, ihr Verhällnis zu den Dingen
nd ihre Wirksamkeit Aufschluß zu gewinnen, und das Ergebnis kann etwa
eine Darlegung sein, wie wir sie jetzt eben hier in allgemein verständlichen
Grundzügen vorführen möchten. Das heißt sich theoretisch mit den Ideen
heschäftigen. Gelangt man im Verlauf einer solchen Untersuchung zu der
berzeugung, daß das Ursprüngliche und Beherrschende in dem Weltorganismus
eben die Ideen sind, das Beherrschte dagegen die Materie, so hat man jene
Weltanschauung gewonnen, welche man den theoretischen oder philosophischen
Idealismus nennt und die in der goldenen Mitte zwischen den beiden
extremen Weltanschauungen des Spiritualismus und des philofophischen Mate—
rialismus steht.
Von diesem theoretischen Idealismus sehr deutlich geschieden ist der
das Streben, Ideale zu realisieren und das Reale zu idealisieren.
amit treten die Ideen durch die Ideale in Beziehung zur Wirklichkeit und
beginnen ihre gestaltende Macht in der Menschenwelt zu äußern. Wer Ideale
ealisieren will, der will, daß das Vollkommene oder das, was er dafür hält,
sinnlich wahrnehmbare Existenz erhalte, und wer das Reale idealisieren will,
er will, daß das Existierende vollkommen sei. Jener sucht für sein voll—
ommenes, ideales Phantasiebild eine Materie, der er es ein- und aufprägen
könne, dieser ist bemüht, in der Materie, die er besitzt, ein Ideal, das
er auch in sich trägt, darzustellen. Leider fehlt jenem nicht selten die
Materie, und sein Ideal bleibt darum Phantasiebild; diesem gehorcht
öfter die Materie nicht, und dann bleibt sein Ideal gleichfalls ohne Ver—
wirklichung, oder die Wirklichkeit ohne Idealisirung, und der sogenannte
praktische Idealismus zeigt sich dann in beiden Fällen recht unpraktisch. —
dun wir müssen die Bestrebungen, das Ideale zu verwirklichen und das
irkliche zu idealisieren, also den praktischen Idealismus, noch etwas genauer
betrachten. Ich setze den Fall, es ist in jemand die Idee der Frömmigkeit
er macht der e leht Tugend. Jetz
2