79
seiner langjährigen, fast ein halbes Jahrhundert umspannenden Regierung
nicht, daß der Staatsorganismus neu belebt wurde, sondern vielmehr, daß
das römische Volk, dem Scheine nach wenigstens Mitinhaber der höchsten
Gewalt, immer mehr zum niedrigen, willenlosen, vom Herrscher Unterhalt
und Vergnügungen erwartenden Pöbel herabsank und daß in den höheren 160
Kreisen, unter den Senatoren und den Trägern der höchsten Würden, an
Stelle des männlichen Freimuts, der einen ausgezeichneten Vorzug der Römer
der besseren Zeit bildete und von dem auch noch in der Zeit des Verfalls ein
Rest erhalten war, immer mehr die Schmeichelei und Heuchelei eines knechtisch
gesinnten, kriechenden Hofadels herrschend wurde. Und dabei blieben zum
weiteren Unglück für Rom trotz der völligen Vernichtung des Wesens der
Republik gleichwohl die republikanischen Erinnerungen noch immer mächtig
genug um auf die bestehenden Zustände dunkle Schatten zu werfen, um das
Gefühl der Unsicherheit in der römischen Welt zu verewigen und um in
schwächeren Individualitäten unter den Kaisern Furcht und Mißtrauen zu i70
erwecken und sie dadurch zu grausamen Despoten zu machen.
Auch die Literatur unterlag schließlich diesem Druck. In der ersten
Hälfte seiner Regierung hatte ihr Octavian teils selbst teils durch seinen
einflußreichen vertrauten Freund Mäcenas seine besondere Gunst geschenkt
— hauptsächlich um auch sie zur Förderung seiner politischen Zwecke zu ge¬
brauchen — und hatte so eine neue Blüte derselben heraufgeführt, die
wesentlich dazu beigetragen hat sein Zeitalter mit einem hellen Glanze zu
umgeben. Nachher aber wurde ihm ihre freiere Bewegung lästig, es traten
auch hier hemmende, niederhaltende Maßregeln ein und so verbreitete sich
auch auf diesem Gebiete dieselbe Öde und Ruhe, die das gesamte übrige 180
öffentliche Leben gefesselt hielt.
Pie Stadt Wom in der Kaiserzeit
von Ludwig Friedländer.
Rom hat durch seinen ersten Monarchen einen neuen architektonischen
Charakter erhalten; es hat sich unter und durch Augustus „aus einer Ziegel¬
stadt in eine Marmorstadt" verwandelt *).
Die Straßenzüge Noms hat jedoch die Augusteische Zeit wohl nur zu
einem sehr geringen Teil umgestaltet oder angetastet. Denn unter Tiber
klagte man, daß die Höhe der Häuser so groß und die Straßen so eng seien,
daß es weder einen Schutz gegen Feuersgefahr noch eine Möglichkeit gebe
bei einem Einsturz uach irgend einer Seite hin zu entkommen. Der Neronische
8ueton. August, c. 28.