in Arbeit befindlichen Strecken. Wir kriechen durch ein solches Loch und
gelangen in einen etwa IV2 m breiten Weg. Er ist so niedrig, daß wir
uns tiefer und tiefer bücken müssen, bis unser Kops in Kniehöhe ist. So
kriechen wir wohl 10 Minuten lang vorwärts. Dann erreichen wir ein
kleines Viereck, in dem man beinahe ausrecht stehen kann. Das ist die
Arbeitsstätte. Ein Häuer schlägt die zutage liegenden Kohlen von den
Wänden los. Zwei Arbeiter bringen auf kleinen Karren die gewonnenen
Kohlen zu Lagerplätzen, von wo sie in die Förderbahn verladen werden.
Die Hitze hat sich hier bis zur Glut gesteigert. Die Leute tragen als ein¬
ziges Kleidungsstück eine leinene Hose, dennoch rinnt ihnen der Schweiß in
Strömen herab. Und ohne einmal sich aufrichten zu können, müssen sie
durch den zehn- bis elsstündigen Arbeitstag, ohne das tröstende Himmels¬
licht zu sehen, ohne den erquickenden Hauch der Luft zu spüren, ohne fröh¬
liches Gespräch, ohne jede Abwechselung.
Als ich den fürchterlichen Rückweg hinter mir hatte, den breiten Stollen
erreichte und endlich wieder ans Tageslicht trat, da schien sie mir neu ge¬
schenkt, die grüne, blühende Erde. Tief aufatmend wanderte ich weiter.
Und als jetzt die Sonne hervorkam, als ihr goldenes Licht über die grünen
Waldberge hinzitterte und aus dem zarten Duft andere Höhenzüge auf¬
tauchten, die stattlichen Soldatenberge und die Duberowberge, als über die
wogenden Kornfelder die Lerchen jubelnd aufstiegen und der Duft der blühenden
Hollerbüsche meine Sinne umschmeichelte, da empfand ich den Genuß all der
sommerlichen Schönheit fast wie ein Unrecht. Du nährst alle deine Kinder,
Mutter Erde; aber ein hartes Brot ist es, das sich der Mensch, dem Maul¬
wurf gleich, aus deinem dunkeln Schoße graben muß.
Anna Plothow. (Märkische Skizzen.)
17. Möller Cborim
3N der Mark, eine Stunde Bahnfahrt von Berlin, liegt auf der Bahn¬
linie Berlin-Stettin, nicht weit von Eberswalde, die kleine Station
Chorinchen,, und dann nach fünf Minuten der etwas größere Ort Chorin.
Seit einigen Jahren ist er ein Wallfahrtsort geworden für Berliner Maler
und Künstler; denn nicht weit von hier, am besten und nächsten von
Chorinchen aus, erreicht man in einer guten Viertelstunde zu Fuß ein
wunderschönes Fleckchen Erde.
Das ist die alte Klosterkirche Chorin, die besterhaltene, schönste Ruine
in reiner Gotik, die unsere Mark besitzt.
Sie ist ein herrliches Denkmal mittelalterlicher Baukunst und war schon
seit Jahren das Entzücken vieler Besucher. Derjenige, der besonders dafür
sorgte, daß die Ruine nicht ganz verfiel, war Kaiser Friedrich III. Er war
schon als Kronprinz Friedrich Wilhelm die Veranlassung, daß Kaiser
Wilhelm I. bedeutende Mittel zur Wiederherstellung bewilligte. Das Dach
war allerdings schon im Jahre 1828 auf Verwendung Schinkels wieder