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Der Untergang der Republik. 133—30
Volkes ebenso sehr an Neigung wie an Verständnis fehlte. Die in Üppigkeit
versunkene Nobilität wendete sich mit Vorliebe der Lehre Epikurs zu,
der das Vergnügen als das höchste Gut, der Schmerz als das größte Übel galt!
Weniger Anklang fand die stoische Philosophie Zenos, der die Tugend
für das einzige Gut, das Laster für das einzige Übel, alles andere für gleich¬
gültig erklärte und die Forderung nach einem naturgemäßen Leben auf¬
stellte.
Cicero befaßte sich als Eklektiker mit allen Systemen der griechischen
Philosophie, ohne irgendeiner Lehre den Vorzug zu geben. Er bekleidete
alle Ämter suo anno, d. h. in dem gesetzlichen Mindestalter: die Quästur 75,
die Ädilität 69, die Prätur 66, das Konsulat 63. Bei der Beurteilung Ciceros
muß man zwischen den verschiedenen Gebieten seiner Tätigkeit unter¬
scheiden. Der literarische Einfluß des Redners hat die Jahrhunderte
überdauert und ist auch heute noch nicht erloschen (Zielinski). Durch
Cicero hauptsächlich ist das einstmals wortkarge Volk der Römer daran
gewöhnt worden, zum Nachteil der Sache die Bedeutung des gesprochenen
Wortes zu überschätzen.
Sallust, ein jüngerer Zeitgenosse Ciceros und Cäsars, lebte von 86—34.
Seine Zeitgeschichte (historiae) in 5 Büchern umfaßt die 12 Jahre von
78—67 und reiht sich an das Werk des Sisenna an, der mit dem Tode
Sullas geschlossen hatte. Bei der Bewertung Sallusts ist abzurechnen,
was auf Kosten seines glühenden Adelshasses zu setzen ist. Die gedrängte
Kürze der Darstellung führte bisweilen zur Unklarheit; sein Vorbild Thuki-
dides hat Sallust nicht erreicht.
Cäsar verstand es meisterhaft, die Tatsachen geschickt zu gruppieren
und am rechten Orte zu schweigen.
Katull lebte von 87—54. Unter der Lesbia verbirgt sich Klodia,
die schöne, aber verworfene Schwester des P. Klodius Pülcher tr. pl. 58
(Drumann GR II2 314—319).
Griechische Kunst in Rom. Unentschieden ist die Streitfrage, ob die
Laokoongruppe der hellenistischen oder der Kaiserzeit angehört; die
überwiegende Mehrheit der neueren Gelehrten weist die Gruppe der Zeit
Alexanders des Großen zu. Gegenwärtig bildet sie eine der Hauptzierden
der Vatikanischen Antikensammlung (Robert bei Pauly-Wissowa
RE II 2047). Der Preis der „Felicitas“ des Lukullus steht nicht genau
fest, da bei Plin. XXXV 156 die Lesarten schwanken (60 000 Sesterzen?),
über den Tempel und das Bild der Venus Genetrix s. Drumann GR III2
457 u- 555-
Gegen den Staatsmann und Menschen Cicero hat Drumann im 6. Bande seiner
Geschichte Roms eine vernichtende Anklage erhoben, die von Mommsen übernommen
und bisher nicht widerlegt worden ist. Vielleicht, weil sie nicht widerlegt werden kann.
Wenigstens nicht von denen, die, um die Zukunft des deutschen Gymnasiums besorgt,
Cicero mit allen Mitteln glauben retten zu müssen. Aber die Zukunft des deutschen
Gymnasiums hängt nicht von Cicero ab, und durch Verdunkelung der Wahrheit wird mehr
Unheil angerichtet als durch ein ehrliches Geständnis. Wer Drumann widerlegen will,
muß vor allen Dingen die Anklageschrift vollständig und gründlich durcharbeiten; erst
dann wird sich zeigen, ob die von ihm erhobenen und begründeten Vorwürfe berechtigt
sind oder nicht. Und sind sie berechtigt, so beweisen sie nichts weiter, als daß man auch
ohne Charakterstärke und ohne staatsniännische Begabung eine Zierde der Wissenschaft
und ein einflußreicher Mann sein kann.