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ahnen zu können, den Rütlibeschluß: „das Christfest abzuwarten", umstoßen
und sich zu sofortigem Handeln entschließen.
So findet der fünfte Akt das Werk der Befreiung, das Ziel des ganzen
Dramas, vollendet: „Herrlich ist erfüllt, was wir im Rütli schwuren." Die
gleichzeitige Kunde vom Tode des Kaisers, der durch Mörderhand gefallen
ist, gibt uns Gewißheit, daß die junge Freiheit zunächst feilten Angriff zu
fürchten hat. Mit dem Ausdruck des allgenteinen, bewundernden Dankes
gegen Tell, „den Schützen und Erretter", schließt das Drama.
Nach L- Beller mann, Schillers Dramen. 2. Bd.
14. Zu Schillers „Glocke": Die Vorgänge beim Glockenguß?)
Zum Verständnisse von „Schillers Glocke" bedarf es zunächst einer
Kenntnis des Glockengusses, wie Schiller selbst ihn zu seiner Vorbereitung
in einer Glockengießerei bei Rudolstadt eingehend kennen gelernt hatte. Es
handelt sich hierbei um zwei Haupt-Vorrichtungen und Verrichtungen, den
Gießofen samt der Schmelzung der Metalle und die Gießform mit deut eigent¬
lichen Glockengüsse selber.
I. Der Gießofen zunächst zerfällt wieder in den Feuer- und den Schmelz-
herd. Beide sind aus feuerfestem Mauerwerk hergestellt und zu einer Ein¬
heit verbunden durch den länglichen, niedrigen, oben gewölbten Hohlraum
des Schwalchs (V. 24). In den tiefer liegenden Feuerherd wird durch das
Schürloch der nötige Brennstoff eingeführt, gut getrocknete Fichtenklötze
(V. 21 f.). Seine Zugluft empfängt das Feuer nach Schließung des Schür-
lochs nur von unten her durch die Tür des Aschenraums. Von dem niedrigen
Gewölbe „eingepreßt", schlägt also die Flamme mit voller Glut durch den
Schwalch hindurch (V. 23f.) und streicht unausgesetzt über den Schtnelzherd
hin. Den Grad der Hitze gaben dabei zu Schillers Zeit sechs aus dem Feuer¬
herd herausragende verschließbare „Pfeifen" oder Zugröhren von weißent
Ton an (V. 80); diese färbten sich allmählich gelb und schließlich braun, ein
Zeichen, daß das Metall zum Gusse fertig war.
Dieses selbst wurde in der Mischung von etwa Vs Zinn und 4/s Kupfer
durch eine Seitentür unter den Pfeifen in den eigentlichen Schmelzherd ein¬
gesetzt. Hier allmählich flüssig gemacht, mischten beide sich miteinander zu
der sogen. Glockenspeise (V. 25f.). Durch dieselbe Seitentür wird während
des Schmelzens sowohl die zu dessen Besörderuug dienende Pottasche zugesetzt
(„Aschensalz" V. 43 f.), als auch der auf der Oberfläche sich bildende Schaum
samt etwaigen Schlacken-, Ruß- und Staubteilchen wiederholt abgeschöpft,
damit nichts davon mit dem Metalle in die Form fließen und der Glocke
einen unreinen Klang geben könne (V. 45 f.). Auch werden durch diese
>) Vgl. Dichtung Nr. 62, S. 265.