Full text: Prosalesebuch für Obertertia und Untersekunda der Vollanstalten oder Klasse II und I der Realschulen (Teil 5, [Schülerband])

Seine Darlegungen, von dem Geiste einer milden Weisheit ge¬ 
tragen, ruhten immer aus dem Grunde einer unwiderleglichen Wahr¬ 
heit, deren Eindruck sich kein Unbefangener entziehen konnte. Es war 
ihm ein Bedürfnis, alles, auch die höchste Feldherrnkunst, auf den 
einfachsten, allgemein verständlichen Grundsätzen aufzubauen; er kannte & 
keine Soldatentugenden, die nicht auf sittlichem Grunde ruhten. 
Der erste Meister des Krieges, hat er nie den Reiz empfunden, 
die Gelegenheit zu suchen, diese Meisterschaft zur Geltung zu bringen. 
War die Entscheidung auf dem Schlachtfeld unvermeidlich, so hatte 
er nur ein Ziel: so rasch und energisch wie möglich den Zweck zu 10 
erreichen, dem Vaterlande seine höchsten, unveräußerlichen Güter zu 
sichern, nach jedem Erfolge still und bescheiden in seine friedliche Tätig¬ 
keit zurücktretend. 
Ein Mann von überlegener Geisteskraft, ist er nie auf seine 
persönliche Macht eifersüchtig gewesen, in allen Feldzügen beflissen, 15 
den Führern der einzelnen Armeeen den freiesten Spielraum eigener 
Tätigkeit zu schaffen, nachdem er den Plan entworfen hatte, wie 
zur rechten Stunde und am rechten Platze alles zur Entscheidung 
sich zusammenfinde. 
Auf dem Gipfel aller Ehren, mit welcher der oberste Kriegsherr 20 
den Helden schmückte, der an der Aufrichtung des Kaiserthrones einen 
so wesentlichen Anteil hatte, im vollen Genuß der begeisterten An¬ 
erkennung von allen Deutschen im Zn- und Auslande, die durch seine 
Siege sich wieder gehoben und geeinigt fühlten, bewundert von allen 
Zeitgenossen als einer der ersten Männer des Jahrhunderts, ist er 25 
immer derselbe demütige, anspruchslose Mann geblieben, der so schlicht 
und einfach unter uns umherging, als wenn er nichts Besonderes 
getan hätte. Ein Wort, ein Blick, eine Gebärde, welche einen 
Geringeren verletzen konnte, war ihm unmöglich. 
Er vereinigte in sich, was wir so selten in einer Persönlichkeit 30 
vereinigt finden. Ein Mann der Tat, der schon als Erforscher Asiens 
keine Lebensgefahr scheute, ein unerschrockener Krieger, der auch als 
Schlachtenlenker sich bei seinen Rekognoszierungen bis über die 
äußersten Schützenlinien vorwagte, ein Mann, der vom Generalstabs¬ 
gebäude aus mit wachsamem Umblick unablässig beschäftigt war, alle 35 
Heere Europas, alle Änderungen der Waffen und Waffentechnik, 
alle Erfindungen des Festungsbaues, alle Fortschritte des Verkehrs¬ 
wesens scharf im Auge zu behalten, um jede Erfahrung unverzüglich 
für die Erhöhung der vaterländischen Wehrkraft zu verwerten —, 
und bei dieser ununterbrochen nach außen gerichteten Wachsamkeit m
	        
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