niemals mächtiger als er. Er hatte eine Jugend gehabt und Lieder,
Liebe und Wein waren auch in sein Gemüt in lebendigem Leben,
eingezogen; aber sie drangen ihm doch nicht bis in den innerlichsten
Ziern seines Wesens. Die Literatur beschäftigte ihn lange und ernstlich;
aber wenn Alerandern der homerische Achill nicht schlafen ließ, so stellte
Cäsar in seinen schlaflosen Stunden Betrachtungen über die Beugungen
der lateinischen Haupt- und Zeitwörter an. Er machte Verse wie damals
jeder, aber sie waren schwach; dagegen interessierten ihn astronomische und
naturwissenschaftliche Gegenstände. Wenn der Wein für Alexander der
Sorgenbrecher war und blieb, so mied nach durchschwärmter Jugendzeit
der nüchterne Römer denselben durchaus. Wie allen denen, die in der
Jugend der volle Glanz der Frauenliebe umstrahlt hat, blieb ein Schim¬
mer davon unvergänglich auf ihm ruhen: noch in späteren Jahren
begegneten ihm Liebesabenteuer und Erfolge bei Frauen und blieb
ihm eine gewisse Stutzerhaftigkeit im äußeren Auftreten, oder richtiger
das erfreuliche Bewußtsein der eignen männlich schönen Erscheinung.
Sorgfältig deckte er mit dem Lorbeerkranz, mit dem er in späteren
Jahren öffentlich erschien, die schmerzlich empfundene Glatze, und
hätte ohne Zweifel manchen seiner Siege darum gegeben, wenn er
damit die jugendlichen Locken hätte zurückkaufen können. Aber wie
gern er auch noch als Monarch mit den Frauen verkehrte, so hat
er doch nur mit ihnen gespielt und ihnen keinerlei Einfluß über sich ein¬
geräumt ; selbst sein vielbesprochenes Verhältnis zu der Königin Kleopatra
war nur angesponnen, um einen schwachen Punkt in seiner politischen
Stellung zu maskieren. Cäsar war durchaus Realist und Verstandes¬
mensch; und was er angriff und tat, war von der genialen Nüchternheit
durchdrungen und getragen, die seine innerste Eigentümlichkeit bezeichnet.
Ihr verdankte er das Vermögen, unbeirrt durch Erinnern oder Er¬
warten energisch im Augenblick zu leben; ihr die Fähigkeit, in jedem
Augenblick mit gesammelter Kraft zu handeln und auch dem kleinsten
und beiläufigsten Beginnen seine volle Genialität zuzuwenden; ihr die
Vielseitigkeit, mit der er erfaßte und beherrschte, was der Verstand be¬
greifen und der Wille zwingen kann; ihr die sichere Leichtigkeit, mit der
er seine Perioden fügte wie seine Feldzugspläne entwarf; ihr die „wunder¬
bare Heiterkeit", die in guten und bösen Tagen ihm treu blieb; ihr
die vollendete Selbständigkeit, die keinem Liebling und keiner Mätresse,
ja nicht einmal dem Freund Gewalt über sich gestattete. Aus dieser
Verstandesklarheit rührt es aber auch her, daß Cäsar sich über die Macht