3.
Sie ist hingeschieden in der Blüte der Jugend; und jugendlich
lebt sie fort in den Herzen der Zeitgenossen und noch des heutigen
Geschlechts. Eben weil sie so war, weder mehr noch weniger war als
die deutsche Frau, leuchtet ihr Andenken in diesem ganz einzigen Glanze.
Als dann der Tod vor der Zeit die „schöne Königsrose" brach, gesellte
sich zu der Verklärung, die aller Liebe durch den Tod verliehen wird,
noch die Empfindung, daß ihr Leben verkürzt war durch die Schuld
nicht so sehr des französischen Feindes als — derjenigen Staatsmänner,
die den Vertrag von Schönbrunn abgeschlossen, durch die Schuld der
Generale, die die Schlacht bei Jena verloren und Magdeburg und
Küstrin dem Feinde überliefert hatten. Das ungeheure Unglück, die
tiefe Entehrung des ganzen Landes ward allerdings in allen preußischen
Häusern empfunden; aber wie das Königshaus nicht bloß das erste
unter ihnen, sondern auch vielleicht das glücklichste und reichste gewesen
war, so wurde hier notweudigerweise das allgemeine Geschick in sieben¬
fachem Masse zum häuslichen Unheil. Daß das gebrochene Lebensglück
den Tod der Königin beschleunigt hat, ist wahrscheinlich tatsächlich
richtig, auf jeden Fall war es allgemeine und zweifellos berechtigte
Überzeugung des Volkes. Daraus erklärt sich die Empfindung, die
ihr jähes Abscheiden überall hervorrief. Es war nicht bloß die Trauer
um den Verlust der vielgeliebten Fürstin, es war mehr noch die tiefe
Erbitterung gegen jenen kaiserlichen Vernnglimpser deutscher Frauen-
tngend und alle die Seinen; vor allem aber die unermeßliche Reue
über die eigne Mitschuld an dem Unheil des Landes, an dem der
Königin Herz gebrochen war.
Ihr Tod war ein Opfertod im höchsten Sinne des Wortes. Nicht
der Soldat opfert sich für das Vaterland, wenn er auf dem Schlacht¬
felde sein Leben läßt; er tut seine Pflicht, und es ist Männerlos, im
Kampfe zu fallen. Aber wenn die schönste und reinste und erste Frau
des Landes an den Folgen der Feigheit der Staats- und Kriegsmänner
stirbt, da ist das Opfer gebracht; es muß schuldlos und seiner eignen
Opferung unbewußt sein, damit es vollständig sei.
So faßte das Land ihren Hingang. Durch die ganze ruhmreiche
Siegeszeit geht es wie ein schmerzlicher Nachklang, wie die Erinnerung
an eine mit dem besten Blut gesühnte und doch nie ganz auszulöschende
Schuld, daß Luise nicht den Breslauer Aufruf vernommen, nicht die
Leipziger Schlacht erlebt, nicht die Viktoria abermals auf ihrem alten
Platz am Brandenburger Tor geschaut hat. Theodor Mo,»,»sen.