Tagelang mußten erst Weg und Steg geebnet werden, über Klippen und
Eisschollen, an gähnenden Abgründen vorbei mußten die Soldaten, die Pferde
und Elefanten an der Hand führend, die Höhen erklimmen. Zuweilen glitt
eines der ungeheuren Tiere aus und stürzte in die Tiefe, die Pferde wurden
scheu und rissen ihre Führer in den Abgrund. Dazu kamen die grimmige Kälte.
der Hunger und die wilden · Bergbewohner, welche bald hier, bald dort die
müden Kletterer angriffen. Überall war jedoch der Feldherr selbst gegen—
wärtig, überall ordnete, arbeitete, kämpfte er. Endlich nach neun Tagen
war die Höhe erreicht und hier ließ Hannibal, auf den ewigen Schnee— und
Eisfeldern, sein Heer zwei Tage lang rasten. Doch das Hinabsteigen war
ebenso schwierig, und als das Heer am 15. Tage in der Ebene anlangte,
war nur mehr weniger als die Hälfte (26 000 Mann Fußvolk und 6000 Reiter)
am Leben geblieben; von den Elefanten war nur noch einer übrig.
66. Hannibals Siege. Die Römer waren von seinem Sieges—
laufe überrascht. In aller Eile schickten sie ihm ein Heer entgegen.
Doch Hannibal verstärkte sein Heer durch die Gallier, die er zum Ab⸗
fall von Rom bewogen hatte, und erfocht über die Römer zwei glän—
zende Siege. Der Weg nach Rom stand Hannibal offen. Doch er
verschmähte es, Rom anzugreifen, und zog nach Unteritalien; denn
er wollte dort die Bundesgenossen Roms zum Abfall bringen.
Fabius Cunctator. In dieser Not wählten die Römer den vor—
sichtigen Fabius zum Diktator. Dieser vermied jede Feldschlacht, beobach—
tete von den Höhen der Berge seinen Gegner und suchte ihn durch ge—
schickte Seitenmärsche zu ermüden. Die Soldaten aber mißbilligten diese
Art der Kriegführung und nannten den Feldherrn spottweise Cunctator,
d. i. Zauderer. Wie richtig jedoch die Kriegsweise des Fabius war, das
zeigte das folgende Jahr. — Die Römer übertrugen den Oberbefehl
wieder zwei Konsuln. Hannibal war froh, daß er den Fabius los hatte.
Es gelang ihm, die Römer bei Cannädsin Apulien zur Schlacht zu
reizen. Furchtbar war ihre Niederlage; 70.000 Römer, darunter ein
Konsul, 80 Senatoren und 3000 Reiter fielen in der Schlacht.
Hannibal konnte einen Scheffel voll goldener Ringe, wie die römischen
Ritter sie trugen, nach Karthago senden. Es gab in Rom keine Familie,
welche nicht einen Verwandten beweinte. Durch diesen Sieg war Han—
nibal Herr von ganz Unteritalien geworden. Und doch wagte er es nicht,
auf Rom selbst loszuziehen, denn sein Heer hatte durch die vielen
Schlachten sehr gelitten. Er wandte sich nach Karthago um Verstär—
kungen, aber seine Mitbürger ließen ihn im Stiche. Da machte Hannibal
den Römern Friedensvorschläge, doch diese erwiderten stolz: „Kein
Friede, solange noch ein Punier in Italien ist.“
67. Karthagos Niedergang. Siege der Römer. Die
Römer boten ein neues Heer auf. Alles, was nur waffenfähig war, ja
selbst Sklaven wurden bewaffnet. Capua, der wichtigste Stützpunkt Han—
nibals, wurde von den Römern erobert und auch die italischen Bundes—