Full text: [Band 2, [Schülerband]] (Band 2, [Schülerband])

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gelegen hatten, den Wall besetzen, und gab strengen Befehl, daß 
keinem Einwohner mehr ein Leid zugefügt werden solle. Ob er, 
wenn dies früher geschehen wäre, die Gräuel, deren Andenken sich 
an seinen Namen geheftet hat, verkürzt oder verhütet haben würde, 
muß dahingestellt bleiben; daß er an denselben Gefallen getragen, 5. 
das Morden und Brennen befohlen habe, ist zwar in neueren Ge¬ 
schichtsbüchern zu lesen, wird aber durch alle Umstände und durch 
Tilly's sonstige Sinnesart widerlegt. Es reicht hin, die Schreiben, 
die er vorher an den Administrator, an den schwedischen Comman- 
danten und an den Rath und die Bürgerschaft erlassen hatte, zu 10. 
lesen, um die moralische Ueberzeugung zu gewinnen, daß ein Feld¬ 
herr, der an die Belagerten in eben so würdigem als eindringlichem 
Tone geschrieben hatte, unmöglich zu seinen Soldaten gesagt haben 
kann, was nun auf seine Rechnung von Mund zu Mund durch die 
Jahrhunderte geht: Mordet und brennet noch eine Stunde, dann 15. 
will ich mich besinnen,* auch wird nicht bloß von katholischen, 
sondern auch von protestantischen Zeitgenossen bezeugt, daß Tilly 
beim Anblick der jammervollen Verwüstung, als er durch die mit 
Leichen bedeckten Straßen geritten, in Thränen ausgebrocheu sei. 
Aber diesen Feldherrnthränen ist der Ruf der Thränen des Lerxes, 20. 
des Scipio und des Titus nicht zu Theil geworden. Bei dem 
Kriegsvolke war das Gebühren, welches die Nachwelt dem Religions¬ 
hasse zuschreibt, Erzeugniß der allgemeinen Verwilderung, die über 
die ganze Nation sich verbreitet hatte, ohne daß die Confessionen 
einen bemerkbaren Unterschied machten. Der eine Haufe der Stür- 25. 
menden wurde vou einem lutherischen Fürsten, dem Herzog Adolf 
von Holstein angeführt, und nach dem im schwedischen und prote¬ 
stantischen Sinne verfaßten Berichte eines Zeitgenossen waren viele 
Lutherische aus Meißen und anderen Orten unter den Kaiserlichen, 
welche so erschrecklich als die heidnischen Croaten und gottlosen 30. 
* Diese bekannte, in neuern Zeiten durch Schiller in aller Mund gebrachte 
Antwort Tilly's an einige Officiere, die ihn aufgefordert, den Gräueln Einhalt 
thun zu lassen, stammt aus dem unzuverlässigen 8oIllat 8n6eIois, dem sie Harte 
(Geschichte Gustav Adolfs I. 495).) nachgeschrieben hat, doch ohne den in jener 
Quelle befindlichen Zusatz, wenn es wahr ist. Ist dem mönchischen Tilly, der 5. 
von sich rühmte, daß er in seinem ganzen Leben kein Weib berührt und kein Glas 
Wein getrunken habe, doch sogar der rohe Soldatenwitz von der Magdeburgischen 
Hochzeit in den Mund gelegt worden. Dagegen Khevenhüller XI. S. 1813: „Dem 
Grafen Tilly und den hohen kaiserlichen Officieren ist der Jammer, Elend und 
die von der unbändigen Soldatesca, wenn sie etwas mit Gewalt einnimmt, ver- 10. 
übten Grausamkeiten, sonderlich das greulich unlöschliche, da man nicht eigentlich 
weiß, woher entsprungene Feuer, üou Herzen leid gewesen und habe es mit wei¬ 
nenden Augen betheuert, erstlich wegen des Untergangs einer so schönen, alten, 
mächtigen Stadt und hernach, daß sie hieraus zur Unterhaltung ihrer Völker, wie 
auch auf Quartier und Anderes ein Ansehnliches hätten ziehen können. Daher ge- 15. 
schieht dem gedachten Grafen und den Kriegshäuptern von den Historienschreibcrn 
Gewalt und Unrecht, wenn sie bezeugen, sic hätten an diesem Verderben und Ein¬ 
äschern der Stadt eine Freude und ein Frohlocken gehabt." In den Berichten bei 
Weng über die Schlacht bei Nördlingen 1634 wird Tilly, der im Winter 1631/32 
in Nördlingen verweilte, vor allen andern katholischen Generalen als verständig, 20. 
großmüthig, ja als Netter dieser (eifrig protestantischen) Stadt gepriesen. Da¬ 
selbst befinden sich bittre Klagen über das Benehmen der Schweden.
	        
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