A. Prosa
I. Fabeln und Parabeln.
1. Herkules.
Als Herkules in den Himmel aufgenommen ward, machte er seinen
Gruß unter allen Göttern der Juno zuerst. Der ganze .Himmel und Juno
erstaunte darüber. „Deiner Feindin," rief man ihm zu, „begegnest du so
vorzüglich?" „Ja, ihr selbst," erwiderte Herkules; „nur ihre Verfolgungen
sind es, die mir zu den Taten Gelegenheit gegeben, womit ich den Himmel
verdient habe."
Der Olymp billigte die Antwort des neuen Gottes und Juno ward
versöhnt. Gotthold Ephraim Lessing.
2. Die Schildkröte und der Adler.
Die Schildkröte kam aus den sonderbaren Einfall, den Flug erlernen
zu wollen, und bat sich vom Adler Unterricht darin aus. Vergebens stellte
dieser ihr vor, daß ein solcher Vorsatz widersinnig sei und daß ihr jedes
Erfordernis dazu gebreche. Aber je mehr er Schwierigkeiten machte, desto
hartnäckiger bestand sie darauf, es wenigstens einmal zu versuchen.
Endlich ihres Ungestüms müde — nachdem er ihr wirklich alles gezeigt,
was sich nur zeigen ließ, aber sie auch nochmals gewarnt hatte, das Un¬
mögliche nicht zu wagen — führte er sie einst mit sich in die Luft und ließ
sie fallen, als er ungefähr die Höhe eines Turmes erreicht hatte.
Der Erfolg bestätigte seine Vorhersagung: die Unglückliche zerschmetterte,
als sie herab zur Erde kam.
Strebe nicht nach Dingen, welche die Natur selbst dir verweigerte! Be¬
mühungen dieser Art sind sträfliche Eitelkeit, die stets zur Schmach, ja nicht
selten zum Verderben führt. . A. G. Meißner.
3. Zeus und das Schaf.
Das Schaf mußte von allen Tieren vieles leiden. Da trat es vor den
Zeus und bat, sein Elend zu mindern.
Deutsches Lesebuch für daher. höhere Töchterschulen. Bd. II. 3. Aufl.
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