Full text: Für Tertia (Teil 4, [Schülerband])

denn auch dieses rasche Anwachsen der Stadt Chicago zeigt uns eine 
edle Frucht des rastlosen Fleißes seiner Bewohner. Eine schwere Prüftmg 
hatten diese zu bestehn, als am 8. Oktober 1871 eine ungeheure Fcuers- 
brunst den größten Teil der jungen Stadt vernichtete. Seit dem furcht¬ 
baren Brande von Hamburg im Jahre 1842 hatte die Welt ein so gro߬ 
artiges Brandunglück nicht erlebt, und überall regte sich die helfende 
Teilnahme. Aber nur auf kurze Zeit wurde ihr schneller Fortschritt 
gehemmt, und schöner als zuvor stieg sie aus der Asche wieder auf. 
Jetzt ist sie eine prachtvolle Großstadt geworden, der Knotenpunkt 
zahlreicher Eisenbahnen und Kanüle, der erste Getreidemarkt der Erde. 
Ihre öffentlichen Bauten sind mit bemerkenswerter Pracht aufgeführt; 
wohleingcrichtete Schulen, eine Universität und eine Sternwarte, ein 
theologisches Seminar und eine Akademie der Wissenschaften, zahlreiche 
Theater, Lesehallen und Konzertsäle bezeugen, daß ihre Bewohner nicht 
bloß für den Erwerb und die gierige Jagd nach Geld Sinn haben. Für 
uns Deutsche besonders erfreulich ist es, daß in den Schulen der Stadt 
neben der englischen auch die deutsche Sprache gelehrt wird, entsprechend 
der großen Zahl deutscher Bewohner und dem Werte, welchen die 
Amerikaner auf die Kenntnis dieser Sprache legen. Gerade Straßen, 
die sich rechtwinklig durchschneiden, vermitteln den Verkehr, der beinahe 
in jeder Straße durch Straßenbahnen gefördert wird. Sie sind auch 
nötig bei den ungeheuren Entfernungen, die zu durchmessen sind, da 
ausgedehnte Parks zwischen den einzelnen Stadtvierteln liegen. Daß 
auch ein wahres Netz von Telephondrähtcn die Straßen überspannt, 
braucht man bei einer Handelsstadt kaum besonders hervorzuheben. Der 
nördliche Teil der Stadt am Michigansee ist das eigentliche Geschäfts- 
Viertel. Dort mündet der große Kanal, der den Mississippi mit dem See 
und so mit dem Gebiete des St.-Lorenzstromes verbindet, dort sind 
die Hafen- und Dockanlagcn, die dem Schiffsverkehr dienen, und die aus 
der Binnenstadt Chicago einen wirklichen Seehafen gemacht haben. Dort 
ragen die ungeheuren Speicher (Elevatoren), in denen Millionen von 
Zentnern Getreide lagern, dort die bis in das 14. Stockwerk auf¬ 
getürmten riesigen Geschäftshäuser und die Fabriken aller Art. Um nur 
ein Beispiel amerikanischen Unternehmungsgeistes hervorzuheben, sei noch 
die große Wasserleitung erwähnt, die vom See aus die Stadt mit klarem 
Trinkwasser versorgt. Zwei große Tunnels sind unter dem Boden des 
Sees etwa eine Stunde weit gegraben worden bis in die Gegenden des 
Sees, in welche das trübe Uferwasser nicht mehr reicht. An chrem
	        
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