Full text: [Teil 4, [Schülerband]] (Teil 4, [Schülerband])

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Darstellungen aus Geschichte und Kulturgeschichte. 
wahrt haben und daß jenseits des früheren Kastells, abgesehen von einem gewissen 
Einfluß der Längs- und Querseiten desselben, die annähernde Geradlinigkeit 
wieder dem gewohnten Gassengewirr weicht. 
Ein völlig anderes Bild gewähren die auf dem kolonisierten Slavenlande 
gegründeten Städte. Sie sind sämlich nach einem bestimmten Schema angelegt. 
Ein Normaltypus, der nur in Einzelheiten Abweichungen erfährt, geht durch sie 
alle hindurch. Von einem quadratischen oder rechteckigen Marktplatz oder „Ring" 
(wie er in Schlesien heißt) gehen meistens im rechten Winkel zueinander schnur¬ 
gerade, wie mit dem Lineal gezogene Straßen aus, die von ebenso geraden 
Straßen, meistens ebenfalls im rechten Winkel, geschnitten werden. So entstehen 
regelmäßige, quadratische oder trapezförmige Häuserviertel. Zuweilen ersetzte man 
den Marktplatz durch eine einfache Verbreiterung der mittleren Hauptstraße. Die 
Bauplätze für die einzelnen Häuser haben eine schmale Front nach der Straße 
zu, dagegen eine beträchtliche Tiefe für den Hof; sie sind sämtlich ungefähr gleich 
groß. Nur um den Markt herum wurden sie noch schmaler als sonst bemessen, 
damit recht viele Bürger von dieser günstigen Lage profitieren konnten. — 
Freilich verfuhr man nicht immer so. Oft kam die Systemlosigkeit der alten 
deutschen Städte auch hier zum Durchbruch: man hielt die Regelmäßigkeit fest, 
soweit die Straßen bei der Gründung der Stadt abgesteckt waren; dann aber 
fetzte man die Wege schief und krumm fort; mitunter haben selbst abgesteckte 
Straßen und Plätze dieser Systemlosigkeit weichen müssen. 
Die Anlage der alten deutschen Städte und die der Kolonialstädte (wenigstens 
in ihrer ursprünglichen Form) stehen, wie man sieht, in schroffem Gegensatz zu¬ 
einander. 
Es gibt jedoch Mittelglieder zwischen beiden. Bei den älteren Gründungs¬ 
städten des Gebietes links der Elbe, die aus dem elften und zwölften Jahrhundert 
stammen (z. B. bei der Altstadt Braunschweig und Freiburg i. B.), zeigt sich 
nämlich bereits eine gewisse Regelmäßigkeit, mindestens die planmäßige Anlage 
der Ansiedelung um den Markt. Schon die im Jahre 1033 begründete Altstadt 
Naumburg hat regelmäßigere Formen, als sie den allmählich entstandenen Städten 
eigen sind. Namentlich auch die Zumessung der Hofstätten in bestimmter Größe 
an neue Ansiedler kommt bereits in Altdeutschland vor, z. B. in Freiburg i. B. 
im zwölften Jahrhundert. Teilweise sind die Unterschiede übrigens in den Bodenver¬ 
hältnissen begründet: das meistens gebirgige oder hügelige Gelände Alldeutsch¬ 
lands setzte einem klaren Schema mehr Widerstand entgegen als das Flachland 
des Ostens. 
Georg von Below, Dos ältere deutsche Stödtewesen und Bürgertmn. (Mono¬ 
graphien zur Weltgeschichte VI) Bielefeld und Leipzig, 2. Ausl. 1905, S. 26 ff. 
(Gekürzt.) 
Vgl. verschiedene Abbildungen bei Below im Text; ferner: Luckenbach, Kunst und Ge¬ 
schichte II. S. 18—33. Figg. 30—34 (Stadtanlagen); Figg. 35—38 (Befestigungen); Figg. 
39—46 (im Innern der Stadt); Lehmann, Kulturhistorische Bilder 6 (Belagerung); Langl und 
Durmayer, Bilder zur bayerischen Geschichte 6 (Nürnberg).
	        
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