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leute verlassen ihr Bett, füttern das Vieh im Stalle, schirren
die Pferde an und gehen an ihre Arbeit. Die Sonne ist unter¬
dessen hinter den Bergen hervorgekommen, ihre Strahlen wecken
die noch schlafenden Tiere. Die Bienen fliegen aus ihrem Stocke
hervor und suchen in den Blüten Honig. Die Tauben fliegen
auf den Hof oder ins Feld, um ihr Frühstück zu finden. Auf
den Wiesen und auf den Feldern glänzt alles von hellen Tau¬
tropfen. Was gestern dürre war, ist heute wieder frisch geworden;
die Menschen, welche gestern müde und schläfrig waren, sind
jetzt wieder stark und gehen munter an ihre Arbeit. Auch die
Tiere sind fröhlicher als am Mittage. Nur die Langschläfer
liegen noch im Bette. Wilhelm Curtman.
198. Abendlied eines Bauersmannes.
1. Das schöne, große Tag¬
gestirne
vollendet seinen Lauf.
Komm, wisch den Schweiß mir
von der Stirne,
lieb Weib, und dann tisch auf!
2. Kannst hier nur auf der Erde
decken,
hier unterm Apfelbaum!
Da pflegt es abends gut zu
schmecken
und ist am besten Raum.
3. Und rufe flugs die kleinen
Gäste,
denn hör', mich hungert's sehr!
Bring' auch den Kleinsten aus
dem Neste,
wenn er nicht schläft, mit her!
4. Es leuchtet uns bei unserm
Mahle
der Mond so silberrein
und guckt von oben in die
Schale
und tut den Segen drein.
5. Nun, Kinder, esset! Eßt mit Freuden,
und Gott gesegn' es euch!
Sieh, Mond, ich bin wohl zu beneiden,
bin arm UNd bin doch reich! Matthias Claudius.
199. Spielt nicht mit Teuer!
1. Helle Kinderstimmen erschollen vom Spielplatz im
Garten herauf zum Fenster, aus dem der Vater voll Freude
dem muntern Treiben der Kinder zuschaute. Als es unten
aber stiller wurde, stieg er hinab, um zu sehen, womit sie sich
jetzt die Zeit vertrieben, und gewahrte zu seinem Schrecken,
daß sein Sohn Fritz mit Streichhölzern spielte. „Welch ein
Unglück hättet ihr anrichten können,“ sprach der Vater mit
ernster Stimme, „da ganz in der Nähe die Scheune, mit Stroh
und Heu bis obenan gefüllt, steht!“
„Vater,“ rief Fritz, „wir wollen ja nur damit spielen!“